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Frauenfeinde: Aus "Tatort-Stadion"

 

Frauenfeinde

Frau als Freiwild



Die Frage nach Sexismus im Stadion stellt sich vielen Fußballinteressierten zunächst gar nicht. Zu groß ist die männliche Dominanz in den Stadien, zu sehr beschränkt sich der Fokus auf das Gewalt-Phänomen. Dabei sind Zusammenhänge zwischen Sexismus und geringer Teilnahme von Frauen und Mädchen in der Fanszene offensichtlich.

Unter Sexismus müssen nicht nur körperliche Bedrohungen oder Gewaltanwendung gegen Frauen gefasst werden. Hinzu kommen Äußerungen, Darstellungen und Taten, die Frauen aufgrund ihres Geschlechts einschränken oder diskriminieren.

"Offener" Sexismus

Die auffälligste und nach außen abgelehnte Form des Sexismus äußert sich offen und direkt, zumeist durch Fangruppierungen, für die Frauenfeindlichkeit fester Bestandteil ihres Fandaseins ist. Als Beispiel sei ein überaus "beliebtes", umgedichtetes Volkslied angeführt: "Von den blauen Bergen kommen wir, unsre Schwänze sind genauso lang wie wir. Und wir spritzen unsern Samen in den Unterleib der Damen..." Dass angesprochene "Damen" ein Stadion deshalb nicht per se als angenehmen Aufenthaltsort erleben, dürfte sich von selbst erschließen.

Mit der Aussicht auf einen Spießrutenlauf können sich Frauen schon bei der Wahl ihrer Kleidung eingeschränkt fühlen und verzichten deshalb auf "Freizügigeres". Frauen ohne männliche Begleitung haben vielfach eine Art "Freiwild"-Status und werden oft zu "allzeit bereiten" Sexualpartnerinnen reduziert: "Eine kleine Nymphomanin - Ficken!" oder "Eine jeder hat sie schon gefickt - Lolita Mathäus."

Noch immer herrscht die Meinung vor: "Nur" aus reinem Fußballinteresse kommen Frauen nicht ins Stadion. Auch Cheerleader von Vereinen sind einem solchen Sexismus ausgesetzt. Egal, welch akrobatischen Kunststücke die Frauen vorführen - die Reaktion aus dem Fanblock ist zumeist: "Auszieh'n, auszieh'n!". Mit der vorgeschobenen Erklärung Cheerleading habe schließlich nichts mit Fußball zu tun, versuchen Männer diese sexistischen Äußerungen zu rechtfertigen.

"Versteckter" Sexismus

Im Gegensatz zum "offenen" Sexismus, wird "versteckter" Sexismus oftmals nicht wahrgenommen oder verharmlost. Vergessen wird jedoch, dass genau dieser Sexismus, der sich zumeist in der Darstellung von oder durch den Umgang mit Weiblichkeit äußert, den Nährboden für "offenen" Sexismus bildet.

Das beginnt mit der Darstellung weiblicher Fans in den Medien. Überaus gern liefern TV-Anstalten bei Fußballübertragungen Bilder von leicht bekleideten Frauen im Publikum, je exotischer umso besser. Je knapper die Bekleidung, desto begeisterter lässt sich der Reporter über die Lebensfreude und friedliche Begeisterung dieser Frauen aus.

"Sex sells" ist auch für die Vereine Verkaufsstrategie im Fanartikelbusiness. Oftmals wird der überflüssigste Fanartikel im Katalog oder auf Plakaten von möglichst knapp bekleideten Models präsentiert. Solange innerhalb der Fanszenen - von Männern, aber auch von Frauen - Beschwerden über eine derartige Darstellung nur kopfschüttelnd hingenommen oder Sexismus gar praktiziert wird, sehen sich Medien und Vereine erst recht nicht zum Umdenken gezwungen.

Das Publikum ist der "12. Mann", nicht die "12. Frau". Frauen spielen in der Fanszene keine entscheidende Rolle. Immer noch wird Frauen oftmals die Zugehörigkeit zu Fanclubs verweigert oder zumindest erschwert. "Mann" bleibt lieber unter sich. Eine Öffnung der Fanszene für Frauen müsste auch eine Veränderung des offensichtlich gern ausgelebten Sexismus zur Folge haben. Auf einer permanenten Gratwanderung zwischen weiblichen Rollenzuweisungen und "nötiger" Härte zur Anerkennung in der Fanhierarchie versuchen Frauen dennoch, in den Stadien Fuß zu fassen.

In den ersten Jahrzehnten war selbst das Fußball spielen nur Männern vorbehalten. Erst 1972 führte der DFB gegen internen Widerstand einen geregelten Spielbetrieb für Frauen-Teams ein. Bis heute müssen Frauen permanent um Anerkennung und adä-quate Finanzierung ihres Sportes kämpfen. Nur zögerlich, verbunden mit dem Erringen erster Erfolge, konnte sich der Frauenfußball aus seinem kümmerlichen Schattendasein befreien und zumindest als Randsportart Beachtung und Publikum finden.

Druckbare Version Watching the boys play AG Fußball und Geschlecht/Fankongress 06