Tagebuch einer Lauternfanin Aus: WDT Nr. 5
Ein Rückblick auf die Meisterschaft 98
Mannheim, 3.5.98
Gestern war einfach ein unglaublicher Tag! Um viertel vor eins standen wir wie immer an Gleis 1 und haben auf den Zug gewartet. Auf dem anderen Gleis war ein ganzer Zug voll mit Wolfsburg-Fans. Wir haben uns gegenseitig Fangesänge zugerufen, alle waren gut drauf, es war voll lustig. In Kaiserslautern angekommen sind wir noch in den Fanshop gegangen, weil das Gerücht umging, alle T-Shirts würden nur noch 20 Mark kosten, stimmte aber nicht. Auf dem Betze und in Block 10 angekommen wollten Nadine und ich uns mit meiner Schwester Marion und meiner Mutter treffen, haben sie aber nicht gefunden. Das Spiel lief recht gut, in der 24. Minute 1:0 durch Olaf Marschall, mit der Führung sind sie dann auch in die Halbzeit gegangen.Bei Duisburg gegen Bayern stand es zur Halbzeit 0:0. Die zweite Halbzeit war klasse, 2:0 durch Wagner, 3:0 Marschall, beides Traumtore. Das 4:0 durch unseren zweiten „Sachsenbomber“ Jürgen Rische war dann noch die Zugabe. Einen kleinen Wermutstropfen gab's in diesem Spiel: Abschied von Miro Kadlec. Dann wurde es so richtig spannend. Keiner wusste so genau, wie's in Duisburg steht, aber als es dann bekannt wurde, hat der Betze gebebt: 0:0, das bedeutet DER 1. FC KAISERSLAUTERN IST DEUTSCHER FUSSBALLMEISTER 1998!!! Was dann abging, kann man nicht in Worte fassen, keiner konnte es wirklich glauben, es war phänomenal! Dann hat Nadine meine Schwester entdeckt, die über drei Absperrungen zu uns runtergehüpft ist, um uns zu drücken, die Mami war auch völlig von den Socken. Unten wurden schon die Tore geöffnet, um die Leute auf's Spielfeld zu lassen. „Das ist Wahnsinn, Lautern schickt euch in die Hölle - Hölle, Hölle, Hölle, Hölle!“ „You'll never walk alone!“ „We are the champions!“ Unten auf dem Rasen wurden dann die Spieler geehrt, natürlich noch nicht mit der Schüssel, die gibt's erst in Hamburg. Auf dem Spielfeld haben wir meine Brüder Sebastian und Johannes getroffen. Marion und ich haben einen Taucher auf dem Rasen gemacht, jetzt haben wir natürlich voll die Grasflecken, aber es war einfach hammermäßig geil!!! Dann wollte ich mir Rasen holen, aber der Ordner hat's verboten, also hab ich mich auf so ein Loch im Rasen gesetzt und ganz unauffällig ein Stück ausgebuddelt und im Rucksack verschwinden lassen, heiliger Rasen. Später haben wir in der Nordtribüne noch ran auf auf der Großleinwand geschaut. Danach sind wir in Kaiserslautern zum Italiener gegangen, die ganze Stadt war natürlich auch voll mit FCK-Fans. Auf dem Weg zum Bahnhof wären wir fast von Pavel Kuka überfahren worden, das wäre ein schöner Tod gewesen. Im Zug zurück war's dann auch nochmal sehr lustig, erstens war supergeile Stimmung, aber am besten war's, als dieser Typ aufgetaucht ist: Um die 50, Nadelstreifenanzug, FCK-T-Shirt drunter und Clogs an den Füßen. Gegenüber von der Mami war noch ein Platz frei, wo sie ihre Beine hingelegt hatte, da hat er sich hingesetzt und ihre Beine auf den Schoß genommen, angefangen die Füße zu kneten und die Beine zu streicheln. Die Mami war total hilflos, ich hab mich totgelacht. Sie hat uns die ganze Zeit gedroht „Wehe, ihr erzählt das jemandem!“ Der Kerl war so besoffen, der hat so einen Scheiß geschwätzt! Dann hätte er fast noch seinen Ausstieg verpasst, die Mami hat Stoßgebete zum Himmel geschickt, dass sie ihn noch aus dem Zug lassen. In Mannheim angekommen haben wir uns ausnahmsweise nicht getarnt (in Mannheim öffentlich als Lauternfan aufzutreten ist nicht ungefährlich). Als wir an der Straßenbahnhaltestelle standen, fuhr eine Straßenbahn vorbei, in der einige Waldhoffans saßen, die wütend aufgesprungen sind, als sie uns gesehen haben. Wir waren so klug, zu warten, bis die Bahn angefahren ist, bevor wir gerufen haben „Deutscher Meister ist nur der FCK“. Was passiert? Bahn hält zwei Meter weiter noch mal an, die Typen steigen aus und schreien von der anderen Seite zu uns rüber, „Drecksau, ich stech euch alle ab!“. Der eine meinte so „Ey, weißt du eigentlich wer ich bin? Ich bin der Waldhof-Hooligan!“ Dann haben sie sich getrollt. Das war DER Spruch des Jahres, so lächerlich. Ich freu m
1.5.98
Das war vielleicht ein geiles Wochenende. Samstag morgens um halb eins sollte unser Zug kommen, hatte erstmal ne knappe Stunde Ver-spätung. Das waren so alte DDR-Wagen, Schlafwagen mit ausklappbaren Betten. In Hamburg sind wir erstmal lecker frühstücken gegangen, danach bin ich mit Nadine und Sebastian durch Hamburg gelaufen, die ganze Stadt war rot-weiß. Um halb zwei haben wir uns wieder am Bahnhof getroffen und sind zum Spiel gefahren. Die Schalenübergabe war ja schon vor dem Spiel. Gespielt haben sie grottenschlecht, als ob sie alle noch besoffen gewesen wären. Die HSV-Fans waren echt korrekt, haben toll mitgefeiert. Nach dem Spiel sind wir auf's Hafenfest gegangen, das war auch sehr lustig, alles voller Lautrer, so viele Pfälzer auf einmal hat Hamburg bestimmt noch nie gesehen. Wir haben gefeiert und getanzt, als dann in einem Zelt alle angefangen haben zu rufen „Meister, Meister“ kam ich mir schon ein bisschen vor wie in einer Sekte, aber geil war's schon. Dann mussten wir leider schon wieder zum Zug. Ich hab die Rückfahrt durchgeschlafen, aber die Marion war die ganze Zeit im Gesellschaftswagen und hat sich abfüllen lassen. Sie hat ihr Ratinho-Trikot gegen eins von Marschall mit Autogramm getauscht. Als wir am nächsten Morgen ausgestiegen sind, hat sich der ganze Zug von ihr verabschiedet, das war echt witzig. Ich musste dann in den Schiri-Lehrgang, letzte Stunde vor der Prüfung, ich war so müde! Danach bin ich mit Sebastian nach Lautern zur Spielerehrung am Rathaus gefahren. Es war im wahrsten Sinne des Wortes der Teufel los. Nach der Spielerehrung haben wir Marion und Johannes getroffen und uns am Martinsplatz ins Getümmel gestürzt. Wir haben mit einer Dose Fußball gespielt, nach einem groben Foulspiel hab ich mich voll auf die Schnauze gelegt und Knie und Ellbogen eklig aufgeschürft, aber egal! Irgendjemand hat mich dann gefragt, ob ich mit ihm in den Brunnen gehe, zu der Abkühlung hab ich natürlich nicht nein gesagt, es war echt sauheiß. Die Marion wurde von irgendwelchen Typen reingeschmissen. Jetzt bin ich erkältet, hat sich aber gelohnt. Wir hatten auf jeden Fall ne Menge Spaß, haben gefeiert, getanzt, Bier getrunken, Leute kennen gelernt, die Stimmung war einfach super. Als wir nach Hause gefahren sind, war ich schon ziemlich betrunken, aber so oft wird man ja schließlich nicht Meister. Heute hatten wir Prüfung im Schiedsrichterlehrgang, ich hab den zweiten Platz gemacht. Jetzt gehe ich glücklich und zufrieden schlafen. Gute Nacht!
Catherine
Erschienen in:
Weiß der Teufel Nr. 5
www.weissderteufel.fckfans.info