Danke Jungs - Frauen uffem Betze Aus: WDT Nr. 5
Danke Jungs - Frauen uffem Betze
Wenn ich mich im Stadion umschaue, stelle ich fest, dass es immer mehr weibliche Besucher gibt. Auch bei uns am Betze. Nicht, dass dies neu wäre. Gerade in der Pfalz, in der unser 1. Fußballclub Kaiserslautern eine größere Bedeutung hat, als vielleicht in vielen anderen Regionen, geht die Liebe zu diesem Verein durch alle Schichten, Geschlechter und Lebenswelten. So fiebert die Oma zuhause oder im Stadion genauso mit wie die Enkelin, die ihren ersten Betze-Besuch erleben darf. Zumindest kann ich dies auch direkt so in meiner Familie beobachten. Wenn ich dann aber mal wieder die Werbung für die ARD-Sportschau im Radio hören darf, wundert sich die Frau an der Seite des Mannes, dass die Spieler jetzt ja verkehrt herum laufen nach der Halbzeit. Also wieder das alte Klischee von der Frau, die keine Ahnung von diesem Sport hat. In der Stadionzeitung des TSV Plön werden Frauen auch etwas anders gesehen. Der Verein offeriert ihnen die Dauerkarte für unschlagbare 10 Euro. (Normal 40 Euro). Damit sie die attraktiven Jungs sehen können. Ach so. Ich dachte bisher immer, man geht zum Fußball, um ein Spiel zu sehen. Um hübsche Männerkörper zu bewundern, gibt es wohl bessere Orte auf dieser Erde, als das Fußballstadion.
In diesem Teufelsreport wollen wir uns von der Weiß-der- Teufel-Redaktion der weiblichen Fans unter uns annehmen, einige davon in kleinen Reportagen vorstellen und damit hoffentlich manche Vorurteile auch ausräumen. Denn auch unter den Fans im Stadion gibt es diese.
In dem Buch „Ballbesitz ist Diebstahl“ schreibt Steffie Wetzel aus Offenbach:“ Und da war es. Das Gefühl, nicht dazuzugehören, am falschen Ort zu sein, ausgeschlossen zu werden. Damals begleitete ich Kickers Offenbach seit ca. zehn Jahren. Und in diesen zehn Jahren hatte ich mir einen Platz erarbeitet. Einen Platz, von dem ich eigentlich angenommen hatte, dass er mir durch nichts und niemand streitig gemacht werden könnte. (Dieses Gefühl kam beim Lesen von Fever Pitch auf. Sie hatte das Gefühl, dass diese Hymne an den Fußball nicht für sie gedacht war, nicht für eine Frau). Zu meinem ersten „richtigen“ Fußballspiel hatte mich mein damaliger Freund mitgenommen. Bis dahin fand Fußball für mich nur im Fernsehen statt. (….). Im Stadion war es laut, hektisch und von einer Emotionalität, wie ich sie nie zuvor erlebt hatte. Und sofort war ich davon besessen, daran teilhaben zu wollen.
Mein Platz im Stadion blieb zunächst lange der der Beobachterin. Alle diese Männer um mich herum schienen bei aller Emotionalität immer genau zu wissen, was sie da brüllten ob es jetzt um Abseits, ein Foul oder einen ungenauen Pass ging. In keiner anderen Situation verstehen es die Männer so gut, Professionalität zu verkaufen wie im Stadion. Ich habe lange gebraucht, um dies zu durchschauen. Noch länger, um dagegenzuhalten. Ich kann mich noch immer an die Situation erinnern, in der ich zum ersten Mal widersprochen habe. Es war nicht wirklich ein sportlicher Widerspruch, aber mein Gegenüber war tief getroffen. (….) Seinem entsetzten Blick konnte ich entnehmen, dass es eine besondere Schmach war, ausgerechnet von einer Frau ertappt zu werden. Er hat danach nie wieder ein Wort mit mir gesprochen.
Über die Jahre habe ich mich in der Fanszene durchgesetzt. Weil ich immer da war, weil ich mitgebrüllt habe und weil ich mitgelitten habe. Erst wurde ich beäugt, dann angesprochen, getestet und schließlich durfte ich teilhaben, eine völlig normale Fußballfankarriere. Und doch auch wieder nicht. Während Männer am Anfang ihrer Fankarriere vielleicht Gefahr laufen, ihrer körperlichen Unversehrtheit verlustig zu gehen, sind Frauen anderen „Tests“ ausgesetzt. Das reicht von sexistischen Sprüchen bis zu Handgreiflichkeiten. Hat sich ein Mann jedoch in der Fanszene durchgesetzt, ist die Testphase endgültig vorbei. Bei Frauen nie. „
Auch das Thema Sexismus im Stadion und in der Fußballfankultur ist ein Thema, das in diesem Bericht vorkommt. Und nicht nur dort. Sondern auch in jedem Stadion.
„ Ohne Freund jedoch bewegen Frauen sich innerhalb der Fanszene oft genug wie Freiwild. Da hilft auch jahrelange Anerkennung nichts, sondern nur das Kuschen vor rigorosen Verhaltensregeln und die Akzeptanz einer strengen Kleiderordnung. Denn ebenso wie ein Händedruck bei Männern in der Fanszene schon einen Hormonschub bewirken kann, liefern Bauchfrei-Tops scheinbar automatisch die Genehmigung, die freiliegenden Hautstellen unentwegt anzustarren und zu betatschen. (….) Und ob Mann oder Frau, Sexismus im Stadion bleibt nach wie vor unwidersprochen. (…)
Das ist halt so eine resignative Haltung von Frauen, die sich zum Großteil klar gegen Rassismus äußern und auch im Stadion keine Scheu haben, sich verbal gegen rassistische Tendenzen zu wehren. Gegen die Diskriminierung des eigenen Geschlechts jedoch bleibt zumeist Hilflosigkeit.“
Weiter beschreibt sie, dass in vielen Fällen auch von Vereinsseite die Probleme von Frauen kaum beachtet werden und Frauen sich auch kaum über unerträgliche Zustände beschweren, wie z.B. die oft unmögliche Situation bei den Toiletten.
„Auch auf der Anzeigentafel blinkt schon mal ein „Danke für die Unterstützung, Jungs“. Und ich muss mich fragen, warum mir eigentlich nicht gedankt wird. Schließlich brülle ich mir genauso die Seele aus dem Leib wie meine männlichen Fankollegen.“
Auch die Wissenschaft hat sich mit dem Thema "Frauen im Stadion" schon auseinandergesetzt. "Weibliche Fußballfans - eine Typologie am Beispiel der Fans des 1. FC Kaiserslautern." nennt sich eine Diplomarbeit zu diesem Thema. Dort werden die weiblichen Fans in verschiedene Kategorien eingeteilt: Den normalen Fan, die Teenies, die Fancluberinnen und die Fanatikerinnen.
In Fragen äußern sich z.B. die interviewten Frauen folgendermaßen:
Interview: weiblich, 26 Jahre
Nein, wir jubeln genauso mit, wie die anderen auch (...), oder? Aber wir sehen das ja auch genauso, wir sehen das ja net mit anderen Augen. Wenn ein Foul ist, das sehen wir auch.
Interview: weiblich, 18 Jahre
Und es gibt ja auch grad auf dem Betze oder überhaupt, es gibt ja immer mehr Frauen im Fußball. Und ich glaube vielleicht auch, Frauen wollen den Männern eben beweisen, dass sie nicht ahnungslos sind. Und ich denke auch, es gibt immer mehr Frauen, die auf dem Betze sind und da stehen (...), und wirklich auch Ahnung haben von dem, was sie überhaupt da irgendwie sehen.
Und die haben teilweise vielleicht sogar mehr Ahnung als die Männer und sind vernünftiger, würde ich sagen.
Zusätzlich sind die befragten Frauen der Meinung, dass das weibliche Geschlecht das vernünftigere und weniger aggressive Zuschauerpotential beim Fußball ist. Die allgemeinen gesellschaftlichen Entwicklungen, die dazu geführt haben, dass immer mehr Frauen die Spiele des FCK besuchen, werden in den Augen der Normalos noch durch die Bestrebungen von Vereinsseite, das Fußballspiel am Samstag nachmittag zu einem ‚Allrounderlebnis‘ (Spiele, Quizfragen, ...) für die ganze Familie zu machen, gestärkt.
Interview: weiblich, 41 Jahre
Also du hast dann halt vielleicht immer noch die Chance, vielleicht mal, was weiß ich, angezoomt zu werden und noch irgendwas zu gewinnen, ich weiß nicht was. Und dass da halt Familien hingehen Samstagsmittags, bevor sich der Vater wieder von allem distanziert, dann sollen sie lieber mitgehen und halt auch dieses kennenlernen...
Gerade in der heutigen Zeit, in der häufig nicht mehr viele gemeinsame Familienunternehmungen veranstaltet werden, bietet sich somit die Gelegenheit für die ganze Familie etwas zusammen zu unternehmen. Zum Damenfußball haben die Frauen ein recht ambivalentes Verhältnis, eine spielt selbst ab und zu aktiv in einer Art Thekenmannschaft, die übrigen lehnen diese Sportart zwar nicht generell ab, aber sie selbst können sich nicht damit identifizieren.
Mehr und mehr Frauen finden den Weg ins Stadion und in letzter Zeit auch immer öfter ohne dazugehörende Männer.
Interview: weiblich, 17 Jahre
Das hat sich ziemlich ausgeglichen mittlerweile, denke ich mal. Also es sind bestimmt noch mehr Männer da als Frauen, aber früher war es ja so, daß du vielleicht mal eine Frau gefunden hast oder so. Und jetzt ist es ziemlich... Da gehen auch mal Frauen ohne Männer auf den Betze oder so. Finde ich ganz gut.
Interview: weiblich, 47 Jahre
Wie ich `65 da das erste Mal hingekommen bin, da hat man wirklich die Frauen suchen können. Und da haben wir auch noch Bilder von der Westkurve, da sieht man das ja, so ab und zu mal eine Frau. Aber heute gehen die schon mit, und die haben auch Ahnung. Doch trotz aller Veränderungen, die in den letzten Jahren und Jahrzehnten von Statten gegangen sind, ist es häufig so, dass in der Anhängerschaft vom 1. FCK auf der Seite der weiblichen Fans Pausen eintreten können. Vor allen Dingen, wenn Frauen Kinder bekommen, lassen sie das aktive Fansein unter Umständen eine Zeit lang ruhen.
„Frauen und Fußball – zwei Welten treffen aufeinander. Aber es ist keine unselige, sondern eine lustvolle Begegnung, die facettenreich und vielschichtig die anderen Seiten einer traditionellen Männerbastion offenlegt.“61 Dabei bilden die weiblichen Fußballfans – ähnlich wie ihre männlichen Kollegen – spezifische Formen der Organisation ihrer Fankultur aus, es bestehen beispielsweise besondere Arten der Motivation für ihre Anhängerschaft sowie unterschiedliche Erlebnismodi und Emotionen, die während eines Fußballspiels realisiert werden. In der durchgeführten qualitativen Untersuchung kristallisierten sich anhand der durchgeführten Interviews mit Fans des 1. FC Kaiserslautern vier charakteristische weibliche Fantypen (Normalos, Teenies, Fancluberinnen und Fanatikerinnen) heraus. Diese Gruppierungen unterscheiden sich eindeutig in den Gründen für ihre Anhängerschaft und in Art und Ausmaß des Involviertseins in die Fankultur. Obwohl also auch deutliche Kontraste zwischen den einzelnen weiblichen Fantypen selbst bestehen, lassen sich übergreifende Muster ablesen, die einen Vergleich von männlichen und weiblichen Fans ermöglichen. Es wird deutlich, dass vor allen Dingen die jungen weiblichen Fans viel eher einen spezifischen Spieler favorisieren als die Männer. Weiterhin bringen die männlichen Jugendlichen – im Gegensatz zu den Frauen - oftmals eine Art Fankarriere hinter sich, und außerdem spielen für die männlichen Fans Aggressivität und der Konsum von Alkohol eine nicht zu vernachlässigende Rolle im Zusammenhang mit einem gelungenen Fußballspiel.
Es wird ferner deutlich, dass sich die zu Beginn dieser Arbeit aufgestellten Hypothesen bezüglich einer weiblichen Fankultur zu einem überwiegenden Teil bestätigt und verifiziert haben. In den vergangen Jahren ist eine Entwicklung in Gang gekommen, welche dazu geführt hat, dass mehr und mehr Frauen den Weg ins Fußballstadion finden und zwar immer öfter auch ohne männliche Begleitung.
Durch intensive Medienberichterstattung und steigende Akzeptanz innerhalb der gesamten Gesellschaft, aber auch durch die häufig allgemein vorhandene Identifikation einer ganzen Region mit dem spezifischen ortsansässigen Fußballverein, wird der Fußball auch für Frauen immer interessanter."
Quelle: Weibliche Fußballfans – Eine Typologie am Beispiel der Fans des 1. FC Kaiserslautern
von Christiane Schorr, 2000
Ob dieses Bild der Wissenschaft vollständig ist, kann jede für sich selber beantworten. Wir wollen in dieser Ausgabe nach der Theorie aus Literatur und Forschung einen Blick auf die Realität am Betze werfen und die Frauen selbst zu Wort kommen lassen. Daneben werden wir uns aber auch mit weiteren Themen rund um dieses Thema beschäftigen. Seien es Berichte aus Sicht von Frauen oder einfach die Frage der Toilettenqualität. Wir freuen uns auch auf Rückmeldungen zu diesem Thema oder eigene Berichte und Erfahrungen von weiblichen Fans. Denn dieses Thema muss mit dieser Ausgabe nicht abgeschlossen sein. JS
Erschienen in:
Weiß der Teufel Nr. 5
www.weissderteufel.fckfans.info