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Interview mit David Zimmermann, Schweiz

 

 

Euro 2008 – Fragen an David Zimmermann



Hallo David, du bist u.a. mit für die Fanbetreuung bei der Euro 2008 in der Schweiz verantwortlich. Welche Aufgaben hast du da, für wen arbeitest du und welche Erfahrungen hast du schon auf diesem Gebiet gesammelt?

Ich arbeite seit dem 1. Februar für das Bundesamt für Sport. Der Bund hat einen Kredit von rund 82 Millionen Schweizer Franken gesprochen, wovon ein Grossteil natürlich für die Sicherheit. 5 Millionen davon sind für „Projekte und Massnahmen in der Schweiz“ vorgesehen. Und wiederum ein Unterprojekt davon ist die Fanbetreuung. Meine Aufgabe besteht darin, die Errichtung von Fanbotschaften sicherzustellen und das Konzept für Fanbetreuung, das ich im Auftrag des Bundesamtes für Sport schon vor einiger Zeit geschrieben habe, zur Umsetzung zu bringen. Dieses Konzept lehnt sich stark an die bereits gemachten Erfahrungen der internationalen Fanbetreuung in Portugal und Deutschland an. Ausserdem fällt es in meinen Aufgabenbereich, die internationale Fanbetreuung für die Schweiz zu koordinieren.
Selber bin ich seit bald 14 Jahren in der Fanarbeit tätig. Ich habe angefangen im Fanprojekt Nürnberg und dann habe ich in der Schweiz selber ein Fanprojekt initiiert und geleitet. Bezüglich grosser Turniere durfte ich mit der Deutschen Delegation der FanbetreuerInnen 1998 nach Frankreich in zwei Spielstädte und wurde von der Belgischen Regierung für die Euro 2000 angestellt und habe dort in der Fanbotschaft in Lüttich gearbeitet (was eher eine negative Erfahrung war). An der Euro 2004 und der WM 2006 habe ich eine Delegation von Schweizer FanbetreuerInnen geleitet – dies in Zusammenarbeit mit dem Schweizerischen Fussballverband.



Die WM 2006 in Deutschland hat ja Maßstäbe im Bereich Fan- und Besucherbetreuung gesetzt. Was wird uns da 2008 in der Schweiz erwarten im Hinblick auf Fanbetreuung, Public Viewing usw.?

Grundsätzlich möchte man in der Schweiz natürlich ähnliche Standards erreichen wie in Deutschland. Ob wir das in dieser Form schaffen, sei dahingestellt. Ich denke, es ist schon mal ein sehr gutes Zeichen, dass innerhalb des Bundesamtes für Sport eine Stelle wie die meine geschaffen wurde. Ob ernsthaftes Anliegen oder Feigenblatt, das wird sich noch herausstellen und ist zum jetzigen Zeitpunkt sicher nicht abschliessend zu beurteilen. Ich habe bisher aber schon den Eindruck, dass es ein ernsthaftes Anliegen ist.
Allerdings rinnt die Zeit davon. Die Euro findet morgen statt. In den Städten sind Entscheidungen gefallen, die allenfalls auch auf die Fanbetreuung Auswirkungen haben. Meine Befürchtung ist einerseits, dass am Ende der Fanbetreuung nur eine untergeordnete Rolle beigemessen wird und sie zur Streichmasse verkommt. Im Sinne von: das können wir uns jetzt nicht auch noch leisten. Zudem befürchte ich auch eine „neue Unübersichtlichkeit“. Viele – auch fussballfremde – Institutionen wollen auf den Euro-Zug aufspringen und stampfen Angebote aus dem Boden, ohne auf die Bedürfnisse der Fans zu schauen. Die eigene Message oder die eigenen Interessen stehen im Vordergrund. Das habe ich bereits in Deutschland beobachtet. Ein Beispiel für mich ist etwa die Unübersichtlichkeit der Fan-Guides. Für gewisse Städte hat es bis zu fünf Fan-Guides gegeben. Man kann sich fragen, was da im Zentrum steht: sich (seine Institution, seine Region oder was auch immer) darzustellen oder den Fans eine Dienstleistung bieten… In der Schweiz ist auch der erste Reflex, wenn von der Euro die Rede ist: ja, da könnten wir ja dann einen Fan-Guide machen. Wo ich ganz klar sagen muss: halt, Leute! Es muss koordiniert werden und im Vordergrund müssen die Interessen der Fans stehen.
Aber wie gesagt: das sind meine Befürchtungen. Und ich werde mich auch dafür einsetzen, dass sie sich nicht bewahrheiten.

Fanprojekte sind in der Schweiz ja noch nicht so lange vorhanden. Wo gibt es welche und was soll sich in diesem Bereich tun?

Ein Fanprojekt gibt es nur in Basel. Streetwork Subita in Winterthur arbeitet ebenfalls im Rahmen ihres Streetwork-Auftrags im Stadion (der FC Winterthur spielt in der zweitobersten Spielklasse). Das erste Fanprojekt in Zürich wurde aus finanziellen Gründen eingestellt.
Fanarbeit ist in der Schweiz eine Zeit lang zum Schlagwort geworden. Es sind verschiedene Vorstellungen im Umlauf, was und wie Fanarbeit sein sollte. Das ist fatal, weil damit auch falsche Erwartungen an die Fanarbeit gestellt werden. Ich bin aber mit jenen Personen, die wirklich in der Fanarbeit tätig sind, in einem Definitionsprozess. Wir definieren, was wir unter Fanarbeit verstehen, was wir leisten können und was wir nicht zu leisten bereit sind. Damit wollen wir die Fanarbeit auch besser positionieren, damit sie als gleichwertige Säule akzeptiert wird.
Und dann müsste der Kreis der Fanarbeitenden natürlich noch grösser werden. Weitere Projekte sind bereits im Entstehen. Da spürt man in gewisser Weise auch den Schwung der Euro.

Was sind die grössten Problemfelder im Schweizerischen Fußball? Welche Mitwirkungsmöglichkeiten haben Fans vor Ort und wie sind diese eingebunden?

Ich will es einmal überspitzt formulieren. Eines der grössten Problemfelder aus meiner Sicht ist, dass der Schweizerische Fussball keine grösseren Problemfelder hat. Probleme werden in erster Linie herangeschrieben. Es ist verrückt. Nach Vorkommnissen wie in Catania meinen alle, dass wir nicht mehr weit weg von der Katastrophe sind. Seit Jahren wird aus bestimmten Kreisen der erste Fussball-Tote heraufbeschworen. Da kann dann schon ein Feuerzeug-Wurf oder eine (nüchtern betrachtet) normale Pyro-Aktion zum Schreckens-Szenario werden. Man will dann dem zuvorkommen und schränkt einmal „präventiv“ die Rechte ein und findet dazu auch noch Verständnis in der breiten Bevölkerung. Niemand will ja Catania oder Sachsen. Da fährt man lieber mal mit der Keule ein, bevor es zu spät ist. „Jetzt ist genug geredet!“ wird dann schon behauptet, bevor überhaupt richtig geredet wurde. Und das wiederum ist das wahre, grösste Problemfeld. Man spricht wenig miteinander und auf beiden Seiten werden Feindbilder aufgebaut, die nicht der Realität entsprechen. Gerade hier könnte die Fanarbeit einen wichtigen Beitrag leisten.

 

 

Neben dem „Fußballfest“ bringt die Euro der Schweiz ja auch noch einige Neuerungen. Stadionverbote, eine „Hooligan-Datei“ usw.. Auf welche dauerhaften Neuerungen müssen sich die Fans in der Schweiz einstellen und wie bewertest du diese?

Ich habe mich eigentlich immer gegen das so genannte Hooligan-Gesetz geäussert. Es wurde auch völlig falsch argumentiert. Die Euro stand im Vordergrund und Angst vor Ausschreitungen an diesem Event wurden geschürt. Damit hat sich das Hooligan-Gesetz verkauft. Dass es ein weitgehend ungeeignetes Mittel in Bezug auf die Euro ist, davon hat niemand gesprochen. Auch nicht davon, dass gewisse Bestimmungen völlig der Logik des geltenden Jugendstrafrechts zuwiderlaufen. Etwa, dass die meisten Bestimmungen schon ab dem vollendeten 12. Altersjahr gelten. Einzig die Polizeigewahrsam ist anwendbar ab dem vollendeten 15. Altersjahr. Das ist in meinen Augen weiterhin ein Skandal – auch wenn das Referendum jetzt gescheitert ist.
Ich habe in der Diskussion um die Einführung des Hooligan-Gesetzes immer die Meinung vertreten, dass wir genügend Gesetze haben und keine neuen schaffen müssen. Ein Verfechter des Hooligan-Geseztes hat mir dann mal gesagt: David, wenn wir das haben, brauchen wir keine neuen Gesezte mehr. Zwei Wochen später war der 13. Mai in Basel und dieselbe Person hat im Anschluss daran ein neues Gesetz gefordert, das das Betreten des Rasens unter Strafe stellt. Das ist aber symptomatisch: wenn etwas passiert, dann ist man schnell mit einem neuen Gesetz da. Dass Gesetze für eine Gesellschaft sicherlich notwendig sind, will ich nicht bestreiten. Allein mit der Schaffung von Gesetzen hat man aber noch nichts erreicht. Für mich steht der Dialog und der Einbezug der Interessen ganz klar im Vordergrund. Gesetze dürfen erst in zweiter Linie kommen.
Was jetzt aber passiert, lässt auf nichts Gutes ahnen. Das Hooligan-Gesetz wurde auf das Jahr 2009 beschränkt. Eigentlich entspricht es nicht der Verfassung der Eidgenossenschaft, die den Kantonen grosse Autonomie einräumt. Bereits will man nun die Verfassung ändern, um die Grundlagen für das Hooligan-Gesetz zu schaffen. Wo das hinführt, ist klar. Zu einer Dauerhaften Einführung des Hooligan-Gesetzes.
Wir haben es also auch mit verschiedenen Mogelpackungen zu tun. Mogelpackung 1: das Hooligan-Gesetz bringt in Bezug auf die Euro nicht viel! / Mogelpackung 2: die Beschränkte Einführung ist eine Farce. Es war von Beginn weg intendiert, das Gesetz definitiv einzuführen! / Mogelpackung 3: die oft zitierten, positiven Beispiele Deutschland und England, wo ähnliche Gesetze „Ruhe“ gebracht haben sollen, treffen nicht zu. Beide Länder kennen immer noch Probleme, die durch die entsprechenden Gesetze offenbar nicht gelöst wurden.

Glaubst du, dass die internationale Zusammenarbeit im Bereich der Fanarbeit auch für die Schweiz und ihre Fans neue Impulse bringen wird?

Wenn wir das geschickt nutzen, dann ja. Ich persönlich glaube, dass wir sicherlich von den enormen Erfahrungen profitieren können, die in anderen Ländern gemacht wurden. Wir müssen ja nicht unbedingt dieselben Fehler machen, die schon mal gemacht wurden und das Rad müssen wir auch nicht neu erfinden. Allerdings haben die Schweizer auch immer ein bisschen Angst vor dem, was „von draussen“ kommt. Man muss also die entsprechenden Erfahrungen so verpacken, dass sie nicht als Belehrungen rüberkommen.

Wie ist die Zusammenarbeit mit den Partnern in Österreich? Können die Fans in beiden Ländern einen ähnlichen Standard erwarten oder wird es, wie z.b. bei der Euro in Belgien und Holland sehr unterschiedliche Umgangsformen mit den Fans geben?

Im Bezug auf Fanarbeit sind sich Heidi Thaler (fairplay, Österreich) und ich einig, dass wir ähnliche Standards anstreben wollen. Das hat auch – wie Du richtig sagst – die Erfahrung aus Belgien und Holland gezeigt. Ich glaube, dass das Bewusstsein auch auf anderen Ebenen – nicht nur in der Fanarbeit – vorhanden ist. Inwiefern das dann realisierbar ist, bleibt dahingestellt. Die beiden Länder haben doch auch unterschiedliche Strukturen, die beachtet werden müssen.
Was vielleicht ein Stolperstein auf diesem Weg sein könnte ist die Tatsache, dass auf verschiedenen Ebenen der Austausch zwischen den beiden Ländern noch zu wenig gesucht wird. Dann ist es auch schwierig, eine einheitliche Linie zu finden.

Welche Erwartungen hast du Persönlich an die Euro 2008?

An die Euro 2008 eigentlich wenige. Ausser dass alles gut über die Bühne läuft. Aber das wird es wahrscheinlich so oder so. Ich erhoffe mir aber, dass die Euro auch eine nachhaltige Entwicklung für den Liga-Alltag bringt. Es wäre schön, wenn die Fans vermehrt als willkommene Gäste im Liga-Alltag angesehen würden und weniger als Sicherheits-Risiko. Wenn Dialog und Einbezug der Fans zur Regel würden.



Vielen Dank für dieses Interview.

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