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Internationaler Fangkongress April 2006 in Bonn

 

Internationaler Fankongress am 6. und 7. April 2006 in Bonn

Veranstalter ist die Friedrich-Ebert-Stiftung e.V. als Initiator der Plattform FANS FOR FOOTBALL. Es nahmen ca. 140 Personen aus 15 Ländern teil.

Donnerstag, den 6. April

Begrüßung

Die Teilnehmer/innen werden vom Leiter der Abteilung Gesellschaftspolitische Information bei der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES), Frank D. Karl, begrüßt. Dabei äußert er das Bestreben der FES, die Plattform FANS FOR FOOTBALL auch nach der WM als internationales Diskussionsforum weiterzuführen. Diesem Vorhaben liegt der Gedanke zugrunde, dass es viele Gemeinsamkeiten bei den Fanszenen von Brasilien bis Polen gebe, wie z.B. ähnliche fantypische Probleme und das Thema Globalisierung.Als nächstes übernimmt Reiner Calmund als WM-Botschafter des Landes Nordrhein-Westfalen das Mikrofon. Dass mit diesem Auftritt 'Stimmung in die Bude' kam, kann sich, glaube ich, jede/r denken! Es war ein gewohnt wortgewaltiger und gestenreicher Beitrag. Soweit ich es beurteilen kann, hat er in den etwa 10 Minuten so ziemlich alle Hauptthemen abgedeckt, die im Vorfeld der WM diskutiert wurden:

Image Deutschlands: "Ohne Fans wäre Fußball net denkbar!" Wichtig sei die Darstellung der Deutschen als nette Menschen, nicht als die Größten und Besten mit "Perfektionismus und Trara". Für ihn seien die Botschafter Deutschlands der Taxifahrer, der Kellner, der Fan usw. Es folgt ein Rundumschlag zu den üblichen Klischees Meckern und Pessimismus (Anmerkung: Auch die Politik bekommt ihr Fett weg, allerdings hat er so schnell gesprochen, dass ich mir dazu nichts notieren konnte...). Calmund sieht in der WM eine Chance für eine Aufbruchstimmung im Land, für Freude und Optimismus. Als Vergleich zieht er den Weltjugendtag 2005 in Köln heran, wo ehrenamtliche Helfer alles "toll gemacht" hätten.Fremdenfeindlichkeit: Calmund wünscht sich ein "Fest des Friedens", das von Toleranz und Respekt geprägt sei. Im Fußball sieht er eine Brücke zwischen "Schwarz und Weiß", zwischen "dem Buddhist, dem Moslem und dem Christ". Ticketvergabe: An dieser Stelle nimmt er das OK und die FIFA in Schutz und meint, dass die WM nicht unsere Veranstaltung sei, sondern für alle auf der Welt gedacht ist. Es gebe über 200 nationale Fußballverbände, die alle Tickets haben wollten. Mathematisch sei es deshalb gar nicht möglich, die Tickets gerecht zu verteilen. Außerdem sagt er, dass die große Journalistenschar nötig sei, um die Milliarden von Fans vor den Fernsehern und Radios in aller Welt zu bedienen. Hinzu kämen dann ja auch noch das Internet und die Zeitungen usw. Nun ja, auf die Sponsoren ist er allerdings, glaube ich mich jedenfalls zu erinnern, kaum eingegangen.

Erste Podiumsdiskussion

Nach der Einstimmung in das Thema folgte eine große Podiumsdiskussion mit den folgenden Teilnehmern:Wilko Zicht, BAFF, DeutschlandTomás Carnogurský, FSI Netzwerk, Tschechische RepublikMartin Curi Spörl, BrasilienKevin Miles, Football Supporters Federation, UKPeter Schüngel, Ein Dach für Fans (EDFF), Deutschland
Moderiert wurde die Runde von Nicole Selmer. Diskutiert wurde zu der Frage "Zu Gast bei Freunden?! Was erwarten die Fans von der Weltmeisterschaft in Deutschland?". Der Einfachheit halber fasse ich mal die einzelnen Beiträge der Teilnehmer zu jeweils einem Block zusammen.Tomás: Zunächst berichtet Tomás über die Fanarbeit in Tschechien. Die Ticketfrage sei dort das größte Problem, da nur ca. 1/3 der Tickets in den freien Verkauf geht, der Rest an Sponsoren. Das Public Viewing werde positiv bewertet, allerdings zeige man sich bezüglich der Umsetzung skeptisch. In den Fan-Botschaften wünsche man sich Native Speaker, die ihren Landsleuten die fremde deutsche Kultur vermitteln können. In Tschechien zeigen Vereinsfans wenig Interesse an der Nationalmannschaft. Sie betrachten Fans der Nationalmannschaft auch nicht als richtige Fans. Hooligans hätten ebenfalls kein Interesse an der Nationalmannschaft und würden deshalb in Deutschland kaum erwartet.Kevin: Die Engländer stellen wohl die größte zu erwartende Fangruppe. Sie seien erfreut, dass der Slogan der WM Realität zu sein scheint. Das Public Viewing werde sehr begrüßt, da die Mehrheit der Fans ohne Tickets nach Deutschland reisen wird. Vereinsfans niedrigerer Ligen folgen der Nationalmannschaft eher wegen der Internationalität, Fans von Clubs der Premier League hingegen zeigen weniger Interesse, da ihre Vereine schon genug internationale Begegnungen haben. Grundsätzlich sei die WM als Turnier aber sehr beliebt. Kevin richtet die Bitte an die Polizei, die Gäste aus England willkommen zu heißen und sie nach ihrem Verhalten und nicht nach ihrem vorauseilenden Ruf einzuschätzen. Die Kommunikation mit der Polizei sei ihm sehr wichtig. Englische Fans seien mittlerweile häufiger Opfer als Täter. Er wünsche sich die Polizei als freundliche Gastgeber, denn noch nie gab es ein solch großes Interesse in England, nach Deutschland zu kommen. Diese positive Stimmung sollte nicht kaputt gemacht werden.Martin: Er berichtet, dass nur sehr wohlhabende Brasilianer nach Deutschland reisen könnten, da es die Tickets nur als Reisepaket inkl. Hotel und Flug (für ca. 3.500 Euro) zu kaufen gab. 6.500 Personen hätten ein solches Paket erworben. Die vom Fußballverband beauftragte Reiseagentur hat das Monopol im Ticketverkauf, wogegen 7 Fans geklagt und Recht bekommen haben. Zur Diskussion über die Zugangskontrollen beim Public Viewing denken sich die brasilianischen Medien, dass das einfach nicht kontrollierbar sei. Brasilianer sehen Deutsche als Perfektionisten, d.h. Fehler in der Organisation werden medial richtig breitgetreten. Ängste herrschen wegen der fremden Kultur (Essen!), Rassismus und der komplexen Sprache. Deshalb wünschen sich auch die Brasilianer Native Speaker in den Fan-Botschaften.Peter: EDFF ist stolz darauf, dass 40 % der Unterkunftsangebote kostenlos sind. Das zeige die große Gastfreundlichkeit der Fans in Deutschland. Die FIFA habe das Potential der Vereinsfans vergrault, weil sie anreisende Fans nicht in ihren Vereinstrikots begrüßen dürfen. Außerdem appelliert er an die Sicherheitsbehörden, die FIFA und die Medien, langsam mal die Euphorie in Gang zu bringen und nicht mehr nur über Probleme und Risiken bzw. Gefahren zu diskutierenWilko: Er macht in der Runde deutlich, dass viele Fans die Repressionen im Ligaalltag der WM in die Schuhe schieben und deshalb sehr gereizt bei diesem Thema reagierten. Weiterhin widerspricht er Reiner Calmund in einem Punkt: Die Fans seien nicht sauer, dass so viele Karten ins Ausland gingen, sondern dass die Sponsoren so große Kartenkontingente erhielten. Zum Schluss appelliert er an die zuständigen Stellen, die geforderte und zugesicherte Ombudsstelle noch vor der WM einzurichten, damit die Probleme des Ligaalltags nicht durch entsprechende Proteste in die WM getragen würden.
Aus dem Publikum kommen zu den Beiträgen noch folgende Anmerkungen: Michael von der KOS weist auf die Fan-Botschaften in den WM-Städten hin. Dort soll versucht werden, die migrantischen Communities in den jeweiligen Städten mit einzubinden. Ein anderer Teilnehmer beklagt, dass die Spontaneität zerstört werde, weil alles durchorganisiert werde und Fanprojekte kaum etwas am Rande organisieren könnten. Ein weiterer Teilnehmer meint, die Spontaneität werde kommen, allerdings sei sie nicht kontrollierbar, weshalb Fans als Sicherheitsrisiko betrachtet würden. Man könne seiner Meinung nach den Eindruck gewinnen, dass Begegnungen zwischen den Menschen aus den verschiedenen Nationen nicht wirklich erwünscht seien.Nach der Mittagspause finden Workshops zu den Themenfeldern Kommerzialisierung, Rassismus und Sicherheitspolitik statt. (Anmerkung: Ich nahm am Workshop zum Rassismus teil, so dass die inhaltliche Wiedergabe hier am genauesten ausfällt. Die Ergebnisse der anderen Workshops konnte ich nur bei der Vorstellung im Plenum festhalten.)

Workshop 2

Moderiert wird der Workshop von Kurt Wachter (FARE, Österreich). Antje Hagel (Fanprojekt Offenbach) und Carlo Balestri (Progretto Ultra, Italien) geben einen Diskussionsinput.Zunächst weist Carlo darauf hin, dass es bei den Viertelfinalspielen eine Aktion gegen Rassismus geben wird. Dann berichtet er über die Situation in Italien: Bis in die 1980er Jahre waren Italien und Spanien eher Auswandererländer, wohingegen Deutschland, England, die Niederlande und andere schon früh Einwandererländer waren. Italien erlebt erst seit den 1990er Jahren eine verstärkte Zuwanderung von MigrantInnen. Daher entstanden die Probleme mit Rassismus in den Stadien in Italien und Spanien mit Verzögerung und finden sich eben auch heute noch in den oberen Ligen, während sich z.B. in Deutschland mittlerweile alles mehr in die unteren Ligen verlagert habe. In Italien wurden noch keine präventiven Angebote diesbezüglich entwickelt. Es wird fast ausschließlich nur repressiv auf die Fans eingewirkt. Im Übrigen bestünde unter den Vereinsfans kaum Interesse am Nationalteam. Die Fans, die jedoch der Nationalmannschaft nachreisen, könnten nationalistisch sein (Ultras Italia à ca. 300 - 400 Personen).Antje berichtet über die Anfänge der antirassistischen Arbeit in Offenbach. Das Fanzine "Erwin" mit einer Auflage von derzeit ca. 2.500 Stück (benannt nach dem ersten farbigen deutschen Nationalspieler Erwin Kostede) sei für die antirassistische Arbeit der Macher/innen in Offenbach Programm, da jede/r etwas mit dem Namen anfangen könne und somit wisse, wofür die Gruppe stehe. Leider gäbe es aber immer noch zu viele rassistische Vorfälle in Offenbach. Sie erzählt z.B. in diesem Zusammenhang von der "besonderen Beziehung" zwischen Offenbachern und Frankfurtern. Dann geht sie auf die WM ein und meint, keiner könne abschätzen, ob und ggf. wo sich rechtsmotivierte Gruppen zusammentun würden. Auch Antje verweist noch einmal auf die Zusammenarbeit mit MigrantInnen in den jeweiligen Fan-Botschaften. Zum Schluss macht sie darauf aufmerksam, dass Deutschland die höchste Dichte an Fanprojekten habe. Kurt pflichtet ihr bei und sagt, in Österreich gäbe es z.B. überhaupt keine Fanprojekte. Dort werde die Fanbetreuung von der Polizei "übernommen".

Allgemein sind sich die Teilnehmer/innen im Workshop einig, dass die Einführung des neuen Strafenkatalogs durch die FIFA zwar gut sei, die Maßnahmen allerdings (noch) fragwürdig erscheinen. Außerdem sei noch nicht wirklich klar, was mit den eingenommenen Strafgeldern geschehe. Als gutes Beispiel könne die UEFA dienen. An sie gezahlte Strafgelder fließen zurück in antirassistische Projekte. Diese Idee sollten auch die FIFA und der DFB aufgreifen und das Geld z.B. integrativen Fußballturnieren zukommen lassen.
Darüber hinaus werden Überlegungen angestellt, wie man zukünftig ethnische Minoritäten stärker zu Besuchen von Ligaspielen motivieren könnte. Diese sind im Verhältnis zur Gesellschaft im Fußballalltag deutlich unterrepräsentiert. Die Frage sei, wie man eine Allianz zwischen den einzelnen Gruppen herstellen könne.

Wichtig sei in diesem Zusammenhang auch, dass nicht nur wir darüber diskutieren, wie man die MigrantInnen besser einbinden könnte, sondern diese Frage gemeinsam mit allen relevanten Gruppen diskutieren sollte. Beispielsweise müsse man andere sozialarbeiterische Strukturen nutzen und an Fußball anbinden. Es könnten etwa Einladungen zu Spielen ausgesprochen und die Kosten für die Eintrittskarte übernommen werden (wird z.B. beim FC St. Pauli und in Offenbach gemacht).
Vorstellung der Ergebnisse im Plenum

Aus jedem Workshop stellt ein/e Vertreter/in die Ergebnisse vor. Moderiert wird die Runde von Freddie Röckenhaus, Journalist (Süddeutsche Zeitung, colourFIELD). Zunächst holt er Dave Boyle (Supporters Direct, UK) - nahm am Workshop zur Kommerzialisierung teil - ans Mikrofon und bittet ihn, das Gleichnis mit dem Frosch zu erzählen: "Wenn man einen Frosch in heißes Wasser wirft, springt er sofort wieder heraus und überlebt. Setzt man ihn jedoch in kälteres Wasser und lässt es nur langsam heiß werden, macht der Frosch viel mit, stirbt aber irgendwann, weil er die Veränderung zu spät merkt." Dave will uns damit vor Augen führen, dass die Fans im schleichenden Prozess der Kommerzialisierung auf der Hut sein müssen, wenn sie ein Aussterben ihrer Kultur verhindern wollen. Er fordert uns alle auf, unsere Consumer Power und damit die Macht der Tribünen zu nutzen, um unsere Interessen deutlich zu vertreten. In Deutschland gebe es im Vergleich zu England eine privilegierte Situation, da (noch) nicht Firmen den Spielbetrieb kontrollieren, sondern Vereine. Deshalb sollten so viele Fans wie möglich Mitglied in ihren Vereinen werden und damit die Vereinspolitik mitbestimmen.Der Workshop zur Thema "Fußballfans im Visier der Sicherheitsbehörden" wird von den Teilnehmer/innen als unbefriedigend bewertet. Jörg Radek von der Gewerkschaft der Polizei (GdP) konnte keine aussagekräftigen Angaben zu Sicherheitskonzepten in den WM-Städten machen. Dies verdeutlicht er auf Bitten einiger Zuhörer/innen auch noch einmal vor dem Plenum. Die Polizei unterliegt 16 verschiedenen Länderhoheiten plus dem Bund. Die Verantwortung für die Public Viewing Areas liegt bei den Kommunen, die für die Stadien bei den Vereinen (Anmerkung: die ihr Hausrecht ja wohl wiederum an die FIFA abgetreten haben, oder?). Daraus ergibt sich, dass Verbote, Gewahrsamnahmen etc. total unterschiedlich gehandhabt werden können. Kurz gesagt: in jedem Bundesland und sogar in verschiedenen Städten innerhalb eines Bundeslandes (in diesem Falle Dortmund und Gelsenkirchen) werden z.T. unterschiedliche, z.T. sogar gegensätzliche Sicherheitskonzepte angewandt. Diese Tatsache wird von den ausländischen Teilnehmer/innen erwartungsgemäß mit einem irritierten Raunen vernommen…Angesprochen auf die Beziehung zwischen den Vereinsfans und der Polizei meint Herr Radek, dass ein Dialog durchaus möglich sei und er die Fans gern dazu einladen möchte. Ansonsten kann er aber auch hier keine konkreten Aussagen machen. Angesichts der vielen Ausflüchte und Abwiegelungen fragen sich einige Teilnehmer/innen, warum die Veranstalter einen Vertreter der GdP eingeladen haben. Es müsse doch bekannt gewesen sein, dass man auf einer Veranstaltung von bundesweiter Relevanz keine konkreten Hinweise aus den Reihen der Polizei und schon gar nicht aus deren Arbeitnehmervertretung zu erwarten habe.

Abschluss des ersten Tages

Der offizielle Teil des ersten Tages endet mit einem Grußwort von Willi Lemke, Schirmherr von FANS FOR FOOTBALL. Er spricht, ebenso wie Reiner Calmund, davon, die WM als ein friedliches und fröhliches Fest erleben zu wollen. Ganz besonders lobt er die vielen privaten Aktivitäten und Initiativen von den hiesigen Fans für ihre Gäste. Er wünscht sich z.B., dass ganz Bremen in gelb-blau erstrahlt und sich die schwedischen Fans und die Mannschaft dort wie zu Hause fühlen können. Das Motto "Die Welt zu Gast bei Freunden" bedeute für ihn, dass er auch Fans als Freunde zu sich nach Hause einladen würde. Die FIFA habe sich seiner Meinung nach inzwischen zu sehr dem Kommerz verschrieben.

Die WM sei nicht eine Veranstaltung für die Sponsoren, sondern eine für alle Menschen. Außerdem gefiele ihm auch einiges am Profifußball nicht. Als Beispiel nennt er Unsportlichkeit von Trainern. Zum Schluss beklagt er sich darüber, dass das Weserstadion entgegen früherer Planungen und Versprechungen vom OK nicht zum WM-Stadion ernannt worden sei. In seinen Worten schwingt eine ganze Menge Frust mit… Man fühlt sich in Bremen offensichtlich ausgebootet.Der Tag endet in einer netten Kneipe in der Bonner Innenstadt. Nebenbei können Interessierte das Spiel von Schalke 04 gegen Levski Sofia auf einer Leinwand verfolgen. Die Stimmung ist klasse, es herrscht ein einziges Stimmengewirr und einige werden am nächsten Morgen ziemlich müde aus den Augen gucken J.
Freitag, den 7. April

Zweite Podiumsdiskussion

Nachdem zuvor internationale Fankulturen (genauer gesagt: Mexiko, Argentinien, Italien und Niederlande) vorgestellt wurden, findet abschließend noch einmal eine Podiumsdiskussion statt mit:Willy Kösling, Stab Sicherheit WM 2006, BMIRolf Marewski, Fan-Projekt Dortmund e.V.Volker Stark, Leiter Volunteering-Abteilung, FIFA WM OK, FrankfurtThomas Schneider, Koordinationsstelle FanprojekteWährend die erste Podiumsdiskussion noch einen fragenden Titel trug, heißt es diesmal "Fans aus aller Welt zu Gast bei Freunden!". Der Vertreter des BMI versucht erwartungsgemäß, die Sicherheits- und Überwachungsmaßnahmen in einem guten Licht darzustellen. Immer wieder betont er, dass die Polizei die Gäste angemessen willkommen heißen wird und nicht nur in der befürchteten Kampfmontur auftreten wird. Der Begriff "schmunzelnder Polizist" wird von ihm mehrfach in den Raum gestellt. Auch er wird, genauso wie der Vertreter der GdP, nach den Zugangskontrollen und Absperrungen beim Public Viewing befragt. Aber auch er gibt nur die Auskunft, dass die Zugangskontrollen bzw. Absperrungen situativ entschieden werden.Thomas weist darauf hin, dass die Fanprojekte in Deutschland maßgeblich daran beteiligt waren, dass Vereinsfans Tickets für die WM bekamen. Allerdings seien nur 50 % abgefordert worden, weil die Vergabe zu kurzfristig erfolgte und nicht ausreichend kommuniziert werden konnte. Trotzdem sei das Vergabesystem in Deutschland fairer gewesen als in manch anderem Land, wo nationale Verbände Karten nach kuriosen Kriterien (Reisepakete, politische Interessen etc.) vergeben. Er beschreibt die jetzige Fanszene als eine pfiffige, junge, kreative und kritische Szene, die eine andere Struktur aufweise als früher. Es sei eine schöne Entwicklung, dass sich mittlerweile ein friedlicher, argumentativer Diskurs entwickle. Die Sicherheitsinstanzen täten gut daran, mit diesen "Experten für Atmosphärenbeeinflussung" in einen konstruktiven Dialog einzutreten und sie nicht nur als Sicherheitsrisiko zu betrachten.

Zum Schluss bedauert Thomas, dass die Kommunikation über basale Informationen im Ausland z.T. sehr mangelhaft verlief, so dass vieles, was hier für die ausländischen Gäste organisiert wurde und wird, im Ausland gar nicht bekannt sei!Der zweite Tag des Kongresses endet mit den Abschlussworten von Uwe Rapolder, dem Botschafter der WM-Drehscheibe Süd (Anmerkung: Entweder hatte meine Konzentration merklich nachgelassen oder Rapolders Rede brachte kaum Neues. Jedenfalls habe ich mir dazu gar nichts notiert. Ich weiß nur noch, dass ich mich ständig gefragt habe, warum der nun extra für die 10 Minuten angereist war) und einer Pressekonferenz.

Persönliches FazitDer Kongress hat mir als "Neuling" in der aktiven Fanszene sehr viel Spaß gebracht. Man konnte viele Leute, von denen man schon gehört oder gelesen hatte, endlich einmal persönlich kennen lernen. Spannend fand ich gerade auch die Berichte aus den anderen (internationalen) Fanszenen. Was erleben andere ähnlich? Was läuft bei denen ganz anders? Welche Probleme sind überall gleich? Welche Erkenntnisse kann ich daraus für mein eigenes Fandasein ziehen? Allein deswegen haben sich diese zwei Tage schon gelohnt.

Gestört hat mich ein wenig der "Verkaufscharakter" einiger Beiträge. Letztendlich haben die Vertreter der offiziellen Stellen ganz deutlich durchscheinen lassen, dass ihnen an einem positiven Image Deutschlands gelegen ist und die ausländischen Teilnehmer/innen dieses bitte auch in ihre Länder tragen mögen. Gerade der Auftritt von Uwe Rapolder zum Schluss blieb m.E. so inhaltsleer, dass er als nichts anderes als (stumpfe) Werbung für die WM durchgehen konnte. Nun kann man natürlich sagen, dass es nicht anders zu erwarten war. Stimmt! Aber trotzdem empfand ich es als ein wenig zu viel "Friede, Freude, Eierkuchen".

Im Übrigen wurde auf diesem Kongress natürlich auch häufiger mal die Gelegenheit genutzt, spezifische Alltagsprobleme aus der Liga anzusprechen. Es gab die eine oder andere Wortmeldung zu Stadionverboten, Datei Gewalttäter Sport, Einsatztaktiken der Polizei usw., die die ausländischen Teilnehmer/innen irritiert haben könnte, da sie die Hintergründe nicht oder nur wenig kennen. Ich habe mich manchmal gefragt, ob man diese Themen nicht besser hätte ausklammern sollen. Wie man das allerdings hätte anstellen sollen, weiß ich auch nicht so recht…
Erfreulich fand ich, dass einige Teilnehmer/innen eine Idee von Dave Boyle aufgegriffen haben und die Gründung eines internationalen Fanverbandes anstreben. Ich hoffe, dass diese Idee weiter reift.
=== ENDE ===

Helga Numberger

Druckbare Version BAFF und die WM 2006 - Ein Fazit Die WM von A - Z