Sitemap  |  

Du bist hier: 

>> Unsere Themen  >> Repression 

Repression - Aus: Nachgetreten Nr. 20

 

 

Nicht zu letzt wegen der bevorstehenden WM nächstes Jahr im eigenen Land, stehen Fußballfans immer mehr häufiger im Visier der staatlichen Sicherheitsorgane. Damit euch der Besuch eines Spiels auch in Zukunft nicht auf den Margen schlägt, hier einige wertvolle Verbrauchertipps. Über die Risiken und Nebenwirkungen informiert folgender Bericht.



Die „Hooligan-Datei"
1994 wurde, nach einem Beschluss der ständigen Konferenz der Innenminister und –Senatoren die Datei Gewalttäter Sport ins Leben gerufen. Die Datei sollte damals dazu dienen, dem Hooligan-Problem Herr zu werden – gewalttätige oder straffällig gewordenen Personen sollten erfasst, überwacht und mit Maßnahmen (z.B. bei Länderspielen) wie Ausreiseverboten oder Meldeauflagen in Schach gehalten werden. Ein paar Jahre lang „funktionierte“ das anscheinend auch ganz gut bzw. man bekam wenig davon mit. Je mehr allerdings die Hooligans aus den Stadien und dessen Umfeld verschwanden, desto mehr suchte die Polizei offenbar Ersatz. Der polizeiliche Umgang mit der Datei Gewalttäter Sport sieht daher bedeutend anders aus, als bei ihrer Einrichtung. „Je mehr Daten, desto besser“ scheint das Leitmotiv zu sein. Hauptsache es sind Fußballfans. Und das obwohl die Folgen für einen Eintrag natürlich beibehalten werden. Die Zahl von bundesweit fast 7000 Hooligans ist mittlerweile vollkommen unrealistisch – genau das ist aber die Anzahl der, in der Datei geführten, Personen. Dass da auch eine Menge Leute zu unrecht aufgeführt sind, versteht sich von selbst, aber wie kommt denn diese Zahl zustande? Es gibt zwei „Wege“ in diese Datei:

1. Einleitung eines Ermittlungsverfahren oder strafrechtliche Verurteilung
Es gibt 12 verschiedene Straftaten, für deren Beschuldigung oder Verurteilung man in diese Datei kommt (diese sind einzusehen unter www.lka.nrw.de/gewalttate.htm). Während die Verurteilung einer Straftat sich von selbst erklärt, sieht es bei der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens schon problematischer aus. Wie auch beim Stadionverbot muss das Ermittlungsverfahren nicht abgeschlossen und die entsprechende Person nicht verurteilt sein – die bloße Einleitung reicht schon, unschuldig bis die Schuld bewiesen ist, gilt hier nicht! Wenn sich am Ende eines Verfahrens herausstellt, dass die Person unschuldig ist, bedeutet das aber noch nicht, dass damit der Eintrag in der Datei Gewalttäter Sport gelöscht wird. Eine Löschung muss grundsätzlich schriftlich beantragt werden, ansonsten werden die Daten erst nach einer Frist von fünf Jahren automatisch aus der Datei entfernt.

2. Platzverweis, Ingewahrsamnahme oder Personalienaufnahme
Diese 3 Begriffe sind eigentlich deutlich. Wir werden euch aber trotzdem anhand von Beispielen zeigen, durch welche Lappalien man das zweifelhafte Vergnügen haben kann, in die Datei aufgenommen zu werden.

Der Platzverweis:
Für jeden reisefreudigen Fußballfan mittlerweile fast schon eine ganz normale Situation: Auswärtsfahrt in die malerische Stadt XY, nach dem Spiel wird der ganze Pulk von der Polizei gesammelt zum Bahnhof eskortiert, es knallt entweder zwischen gegnerischen Fußballfans oder zwischen Fußballfans und der Polizei, die Polizei beschließt, die auswärtigen Fans bis zur Abfahrt des Zuges auf dem Gleis zu sammeln, der Zutritt zu allen restlichen Bahnhofs-Einrichtungen (Toiletten, Schließfächer, Geschäfte) wird untersagt. In einer solchen Situation zu einem Platzverweis zu kommen, ist ganz leicht: Du musst nur in der unangenehmen Lage sein, deine kompletten Sachen in einem Schließfach verwahrt und dich irgendwie an der Polizei vorbei „gemogelt“ zu haben. Dass du an der vorangegangen Knallerei mal so überhaupt gar nicht beteiligt warst, interessiert dabei überhaupt nicht. Denn mit diesem ausgesprochenen Platzverweis – gepaart mit der Tatsache, dass du als Fan eines Fußballclubs unterwegs bist – hast du den Eintritt in die Datei Gewalttäter Sport schon geschafft. Natürlich ist der Eintrag nicht garantiert, aber mal ganz ehrlich: Die Chancen stehen in einer solchen Situation mehr als gut!

 

Bei seiner Ingewahrsamnahme war er noch jung und unschuldig

 

Die Ingewahrsamnahme:

Die Ingewahrsamnahme ist eigentlich ein noch viel „leichterer“ Weg, um in der Datei aufgenommen zu werden. Sei einfach zur falschen Zeit am falschen Ort und du bist dabei! Das kann ganz konkret bedeuten: Du stehst dummerweise gerade da rum, wo es zu einer Rangelei kommt. Die netten Herren in grün (’tschuldigung „Blau“!) sammeln alles ein, was im Umkreis des Tatgeschehens steht und laden die Betroffenen ein paar Stunden in eine gemütliche Zelle. Du weißt, dass du nichts gemacht hast, es stellt sich auch ganz offiziell raus, dass du nichts gemacht hast, hilft aber nix! Mit der Ingewahramnahme bist du mit einer fast 100 %igen Wahrscheinlichkeit in die Datei aufgenommen!

Die Personalienaufnahme:



Auch hier gilt: Das kann jedem passieren – jederzeit und überall! Für eine Personalienaufnahme muss es noch nicht mal einen Grund geben. Frau, Mann, Junge, Mädchen, Alter, Kutte, gar nicht als Fußballfan erkennbar – völlig egal! Allein die Tatsache, dass du dich an einem Spieltag im Stadionumfeld oder sogar auf dem Weg Stadion-Bahnhof oder Bahnhof-Stadion befindest, reicht für eine Personalienaufnahme aus. Als Beispiel nehmen wir mal das Zünden von Pyrotechnik im Stadion: Du standest daneben und der Einsatzleiter sagt: „Der war auch dabei!“ Und schwupps werden deine Personalien aufgenommen, auch wenn du deine Unschuld beteuerst. Hier muss ebenfalls eingeräumt werden: Der Eintrag in die Datei ist mit einer bloßen Aufnahme Deiner Personalien natürlich nicht garantiert, aber die Wahrscheinlichkeit ist leider hoch!

Die Datei Gewalttäter Sport ist schon lange nicht mehr das, wofür sie eigentlich gedacht war: Als Hooligan-Datei. Viel zu leicht ist es mittlerweile, selbst als ganz normaler Fußball-Fan, in die Datei aufgenommen zu werden. Diese Tatsache führt die DGS an sich ohne Frage ad absurdum, aber es ändert leider nichts. Allein schon in Hinblick auf die Panikmache in Bezug auf die WM 2006 wird diese „Einrichtung“ bestehen bleiben. Tu dir selbst einen Gefallen und stelle eine schriftliche Anfrage, welche dir die Sicherheit darüber gibt, ob du in der Datei geführt wirst oder nicht. Durch diese Anfrage kann es zu keiner Speicherung deiner Daten kommen! Die Anträge dazu gibt es unter www.profans.de/gs-anfrage.pdf oder direkt im Fanladen. Es ist völlig egal, ob du ein Anhänger des internationalen Fußballs oder gar der deutschen Nationalmannschaft bist oder nicht – auch dir kann es passieren, dass du bei dem Versuch, in ein anderes Land zu reisen, von grimmigen Beamten an der Ausreise gehindert wirst – und das alles mit dem Kommentar: „Sie sind ein Hooligan – sonst wären sie ja schließlich nicht in der Datei Gewalttäter Sport verzeichnet!“

Knastartikel von Bertha Beckstein

 

Jahre später. Das Spiel war längst vorbei… 

Druckbare Version 13.01.2002: Auszug aus den Eintracht Frankfurt-Fan AG Ombudstelle BAFF-Kongress Bremen 2006