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23.06.2005 Innenminister lädt Fanvertreter ein

Heute fand ein Treffen zwischen Fanvertretern und dem Innenministerium statt. Mit dabei waren zudem Vertreter der KOS, des DFB, des WM-OK, der Polizei und der Innenminister persönlich. Hier die Presseerklärung zu den Diskussionsschwerpunkten:

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Presseerklärung

Gerne sind wir der Einladung von Bundesinnenminister Otto Schily zur heutigen Gesprächsrunde gefolgt. Wir haben ihm dabei zu vermitteln versucht, was zu der Verärgerung und Frustration geführt hat, die die aktiven Fanszenen Deutschlands seit vielen Monaten beschäftigt und am Mittwoch voriger Woche in Frankfurt zu dem Protestzug von knapp 2.000 Fußballfans aus über 40 Vereinen geführt hat. Hierzu zählen nicht nur die WM-Kartenvergabe und diverse Auswüchse der Kommerzialisierung, sondern nicht zuletzt auch der Umgang von Polizei- und Ordnungsdiensten mit den aktiven Fanszenen. Wir haben insbesondere auf die folgenden Missstände hingewiesen:

Datei Gewalttäter Sport

Die allermeisten Einträge in der Datei "Gewalttäter Sport" beruhen nicht etwa auf rechtskräftigen Verurteilungen wegen begangener Straftaten, sondern in der Regel auf bloßen Personalienfeststellungen im Rahmen eines Fußballspiels. Gerade einem Fußballfan kann es aber leicht passieren, sich zufällig in einer "Gruppe" aufzuhalten, in der die Polizei potentielle Gewalttäter vermutet oder aus der einzelne angeblich eine Straftat begangen haben sollen. Viele wissen gar nicht, dass sie in der Datei gespeichert sind.

Zwangsläufig wimmelt es daher in der Datei vor Eintragungen, die auf Fehleinschätzungen, Bagatellen oder Sippenhaft beruhen. Dennoch führen solche Einträge bei Grenz- und Flughafenkontrollen häufig zu Ausreiseverboten, bei Kontrollen am Spielort zu Platzverweisen oder Ingewahrsamnahmen. Wenn der Betroffene hiergegen gerichtlich vorgeht, bekommt er zwar häufig im Nachhinein Recht zugesprochen. Aber das nützt gar nichts, solange die Polizei ihre Vorgehensweise nicht ändert.

Wenn wir in einem Rechts- statt in einem Polizeistaat leben wollen, dürfen schwerwiegende Freiheitseinschränkungen wie Ausreiseverbote oder Ingewahrsamnahmen nicht allein auf Einträgen in Polizeidateien beruhen, die ohne rechtsstaatliche Verurteilungen zustande gekommen sind. Bei Ingewahrsamnahmen darf zudem der im Grundgesetz vorgeschriebene Richtervorbehalt nicht länger einfach ignoriert werden.

Unkontrollierte Polizei-Schikanen

Viele Fans sehen sich immer unerträglicheren Schikanen durch Polizei und Ordnungsdiensten ausgesetzt. Sie werden im Polizei-Kessel vom Bahnhof zum Stadion eskortiert und wie ein Gefangenentransport behandelt. Versuche, Schließfächer, Imbisse oder Geschäfte auszusuchen bzw. sich frei zu bewegen,werden unterbunden. Kommt es zu Zwischenfällen, geht die Eskalation oft von den Sicherheitskräften aus. Prügelnde oder provozierende Polizisten verweigern jedoch die Preisgabe ihrer Dienstnummer oder nennen Fantasienamen, um einer Anzeige zu entgehen. Bild- oder Videoaufnahmen, die Polizisten belasten könnten, werden brutal beschlagnahmt und gelöscht. Wenn nicht gerade zufällig Medienvertreter selbst Augenzeuge waren,findet sich am nächsten Tag allein die Darstellung des Polizeiberichts in den Zeitungen. Dies ist ungemein frustrierend für die Fans, die dabei waren und genau wissen, dass es sich völlig anders abgespielt hat.

Um eine wirksame Kontrolle der Arbeit von Polizei und Ordnungsdiensten zu ermöglichen, fordern wir die Erlaubnis für ausgewählte Fans, die Einsätze der Sicherheitsorgane per Videokamera selber zu dokumentieren. Die Aufnahmen wären zum Schutz der Persönlichkeitsrechte der Beteiligten zunächst nicht für die Öffentlichkeit gedacht, sondern zur Auswertung durch eine unabhängige Arbeitsgruppe, an der sich auch die Fanorganisationen beteiligen würden.

Die Welt zu Gast ­ Fühl dich wie im Knast?!

Wir alle wollen eine sichere und fröhliche WM und einen sicheren und fröhlichen Liga-Alltag. Das Gegenteil wird aber erreicht, wenn man harmlose Fans kriminalisiert, sie durch übertriebene Repressionen gegen die Sicherheitsorgane aufbringt, Ihnen das Vertrauen in den Rechtsstaat nimmt und damit die so wichtigen Selbstregulierungskräfte innerhalb der Fanszenen kaputtmacht.Genau dies geschieht seit einigen Jahren mit zunehmender Tendenz. Wer nicht will, dass ausgerechnet der aktivste Teil der deutschen Fußballfans der Weltmeisterschaft im eigenen Land frustriert den Rücken kehrt, muss hier dringend gegensteuern.

Blumige Wort gab es dazu schon zur Genüge ­ jetzt müssen endlich Taten folgen.

- Matthias Bettag (Werder Bremen, BAFF: www.aktive-fans.de)

- Phillip Markhardt (Hamburger SV, PROFANS: www.profans.de)

- Markus Schmalz (VfB Stuttgart, Netzwerk für Fanrechte: www.fandemo.de)

Druckbare Version Stadionverbote - Treffen beim DFB Goldener Schlagstock 05