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"Dem Ball ist egal, wer ihn tritt" - Fußball und R

 

„Dem Ball ist egal, wer ihn tritt“ – Fußball und Rassismus

Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft im Jahr 2005: Gerald Asamoah (Schalke 04) wurde in Ghana geboren. Kevin Kuranyi (VfB Stuttgart) hat brasilianische und panamaische Wurzeln. Lukas Podolski (1. FC Köln) und Miroslav Klose (Werder Bremen) stammen aus Polen. Patrick Owomoyela ist in Hamburg geboren und spielt für Arminia Bielefeld. Sein Vater ist Nigerianer. Owomoyela hätte auch für die Nationalmannschaft des afrikanischen Landes spielen können.
Ebenso wie in anderen Ländern begeistern in der Fußball-Bundesliga Spieler aus vielen verschiedenen Staaten die Fans. Von den ca. 460 Spielern der 1. Bundesliga waren im Jahr 2005 48 Prozent ohne deutschen Pass.

Trotz dieser bunten Mischung in den Mannschaften und Vereinen sind Rassismus und Diskriminierung gegenüber Spielern anderer Hautfarbe, Nationalität oder Herkunft in den Fußball-Stadien allgegenwärtig. In den vergangenen Monaten berichteten die Medien immer wieder über rassistische Vorfälle in europäischen Stadien.

Einen Vorfall lieferte der spanische Trainer Luis Aragones. Um einen seiner Spieler für die Begegnung mit dem französischen Stürmer Thierry Henry besonders zu motivieren, raunte er ihm zu: „Du musst dein Spiel machen. Sag’ dem Neger, dass du besser bist als er.“ Der ehemalige Torhüter der deutschen Nationalelf, Toni Schumacher, erklärte auf die Frage, warum keine weißen Spieler mit Urwaldlauten konfrontiert werden würden: „Vielleicht weil die nicht aussehen wie Affen.“
Im Madrider Bernabeu-Stadion wurden die schwarzen Spieler der englischen Nationalmannschaft beim Länderspiel von den spanischen Zuschauerrängen mit rassistischen Sprechchören und Affenlauten verhöhnt.

Auch bei Länderspielen der deutschen Nationalmannschaft waren rassistische Sprüche zu hören, so z.B. beim Länderspiel gegen Slowenien am 26. März 2005. Neben gewalttätigen Ausschreitungen am Spielort, wurde nach Berichten von antirassistischen Faninitiativen während des Spiels immer wieder zahlreich der Hitlergruß gezeigt und das Horst-Wessel-Lied und Sprechchöre wie „SS, SA, Bavaria“ angestimmt.

Hitlergruß im Stadion
Ein weiteres Beispiel ist der Skandal um den Kapitän der italienischen Erstliga-Mannschaft Lazio Rom. Der Spieler Paolo di Canio war nach seinem Siegtreffer im Lokalderby gegen den Rivalen AS Rom vor die eigene Fankurve geeilt und hatte dort den Arm zum sogenannten Römischen Gruß gehoben, in Deutschland besser bekannt als Hitlergruß. Der italienische Fußballverband sah keinen Anlass zu handeln und auch der Übeltäter selbst konnte die Aufregung um seinen erhobenen Arm nicht verstehen. Er habe doch „nur sein Volk gegrüßt“. Diese Aussage mag nicht überraschen bei einem Mann, der auf seinem Oberarm die Tätowierung „Dux“, dem lateinischen Wort für „Führer“ trägt.
Di Canio zeigte seine Nazi-Geste in verschiedenen Spielen. Verurteilt wurde er jedoch nur zu einer Geldstrafe und zu einem Spiel Sperre - dies jedoch erst nach wiederholtem Zeigen des Hitlergrußes.
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Rechte Fankultur
In den 80er Jahren entwickelte sich eine rechte Fankultur in deutschen Stadien. Neonazis sammelten sich in eigenen Fanklubs mit so aussagekräftigen Namen wie „Borussenfront“ in Dortmund oder „Endsieg“, „Wannseefront“ oder „Zyklon B“ als Fanklubs von Hertha BSC Berlin. Eine dauerhafte Verankerung in den jeweiligen Fanszenen gelang diesen Klubs aber nicht. Dies ist nicht zuletzt auch der Entstehung von antifaschistischen Faninitiativen in dieser Zeit zu verdanken. Einige rechte Fanklubs wie die Borussenfront bestehen aber weiterhin.
Rassistische Provokationen und überhöhter Nationalismus gehören nach wie vor bei Fußballspielen vielerorts zum Erscheinungsbild.
Vor allem Spiele der Nationalmannschaft werden zur willkommenen Plattform für fremdenfeindliche Provokationen und Gewaltausbrüche rechter Fans. Trauriger Höhepunkt waren die Ereignisse in Lens am Rande der Fußball-WM 1998 in Frankreich. Damals wurde der französische Polizist Daniel Nivel von deutschen Neonazis und Hooligans halbtot geprügelt.
Fanprojekte und Polizei verzeichnen seit Mitte der neunziger Jahre ein verstärktes Auftreten von Jugendlichen mit rechter Symbolik und rassistischen Parolen in den Fankurven. Die Zentrale Informationsstelle Sport (ZIS) bestätigte in ihrem Jahresbericht 1999/2000 einen Anstieg rechter Fanpräsenz in der Bundesliga um 8 Prozent, in der 2. Bundesliga sogar um 115 Prozent. In den vergangenen Monaten ist ein verstärktes Bemühen der neofaschistischen NPD (Nationaldemokratische Partei Deutschlands) zu erkennen, in den Fankurven Fuß zu fassen.

Verbände und Funktionäre
Internationale und nationale Fußballverbände wie die UEFA (United European Football Association) und der DFB (Deutscher Fußball Bund) verurteilen in Pressemitteilungen und Stellungnahmen derlei Auswüchse immer wieder. So erklärte der heutige DFB-Präsident Theo Zwanziger anlässlich der Eröffnung der Ausstellung „Tatort Stadion“ im Jahr 2001: „Als eine gesellschaftliche Erscheinung kann auch der Fußball seine Augen vor den Problemen von Rassismus und Diskriminierung nicht verschließen. (…).Wir (...) verurteilen gemeinsam mit unseren Verbänden und Vereinen (…) jede Form von Rassismus im Umfeld des Fußballs aufs Schärfste.“
Im Oktober 1998 hatte der DFB alle deutschen Vereine zur Umsetzung eines Maßnahmenpaketes aufgerufen. Es enthielt zehn Vorschläge zur Bekämpfung von Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Rechtsradikalismus. Unter anderem wurde die Aufnahme eines Antirassismus-Paragrafen in die Vereinssatzungen angeregt. Passiert ist nicht viel. In den meisten Vereinen nahm dieser Plan den direkten Weg in die Schublade. Dabei wird der Handlungsbedarf der Vereine immer dringender.

Die seit mehreren Jahren durch Deutschland tourende Ausstellung „Tatort Stadion“ dokumentiert rassistische und antisemitische Vorfälle in deutschen Stadien. Initiiert wurde sie vom „Bündnis aktiver Fußballfans“ (BAFF). Auch Aussagen Gerhard Mayer-Vorfelders, der als Präsident des DFB, des größten Fußballverbandes der Welt, eine Vorbildfunktion für Hunderttausende Mitglieder hat, werden hier dokumentiert.
In einem Interview mit dem Magazin Spiegel äußerte er 1989: „Was wird aus der Bundesliga, wenn die Blonden über die Alpen ziehen und statt dessen die Polen, diese Furtoks und Lesniaks, spielen?“. Zwei Jahre später fiel er mit der Bemerkung „Wenn beim Spiel Bayern gegen Cottbus nur zwei Germanen in den Anfangsformationen stehen, kann irgendetwas nicht stimmen.“ auf.
Solche Aussagen bestärken die Neonazis und Rassisten in ihrem Tun. Auf die Dokumentation der peinlichen Äußerungen ihres oberen Dienstherren durch „Tatort Stadion“, reagierte der DFB mit der Streichung der zugesagten Fördergelder für das Projekt. Die Realisierung der vor allem durch EU-Mittel finanzierten Ausstellung wurde dadurch aber nicht gefährdet.

„Tatort Stadion“ und das Bündnis aktiver Fans
Die Ausstellung „Tatort Stadion“ ist eine von zahlreichen Fan-Aktivitäten gegen Rassismus, Antisemitismus und Neofaschismus. Ausstellungsorganisator Gerd Dembowski beschreibt die Aufgabenstellung von Tatort Stadion so: „Zielgruppe der stets aktualisierten Wanderausstellung sind nicht nur regelmäßige Stadionfans, sondern vor allem Schulklassen und Gelegenheitsfans, die sich nicht so stark mit den Fanszenen beschäftigen. „Tatort Stadion“ gibt auf 30 Schautafeln, Computerpräsentationen und durch etliche Originalexporte einen Überblick über rassistische und diskriminierende Vorfälle, Übergriffe und Entwicklungen in deutschen Stadien seit den 1980er Jahren. Außerdem wird versucht, Licht in Verbindungen von Hooliganszenen und rechten Fangruppierungen zu neonazistischen Ideologien und politischen Gruppierungen zu bringen.“

„Tatort Stadion“ will auch anregen, selbst mit antirassistischer Arbeit in den Stadien aktiv zu werden. BAFF hatte sich 1993 unter dem Namen „Bündnis antifaschistischer Fußballfans“ gegründet und besteht aus über 200 Einzelmitgliedern und vielen Faninstitutionen. BAFF und die zahlreichen Faninitiativen organisieren multikulturelle Begegnungen und Konzerte, verteilen Flugblätter gegen Rassismus, sind mit Transparenten im Stadion präsent und veranstalten Workshops zum Thema. BAFF-Mitglieder publizieren Fanzeitungen und Buchbeiträge, beteiligen sich an antifaschistischen Demonstrationen. Mit seiner Arbeit trägt BAFF aktiv zur Dokumentation rassistischer Tendenzen bei und macht auf Fehlentwicklungen aufmerksam.





Schalke 04 als Vorreiter gegen Rassismus und Neonazis
Bei den Vereinsaktivitäten gegen Rassismus und Neofaschismus ist in der Vergangenheit besonders der FC Schalke 04 aktiv gewesen. Durch das beharrliche Engagement von Fanklubs in der Initiative „Schalker gegen Rassismus und Ausländerfeindlichkeit“ begann der Verein 1994, verstärkt Position gegen Rassismus zu beziehen. Der FC Schalke 04 hat die „Integration ausländischer Mitbürger“ als Vereinszweck in seine Vereinssatzung aufgenommen. Auch ist er bis dato der einzige deutsche Verein der durch Änderungen seiner Satzung auf rassistische Äußerungen der eigenen Fans mit Vereinsausschluss reagieren kann: „Der Ausschluss aus dem Verein kann u.a. erfolgen ... bei unehrenhaftem Verhalten innerhalb oder außerhalb des Vereins, insbesondere durch Kundgabe rassistischer oder ausländerfeindlicher Gesinnung.“ Der Vorstand von Schalke 04 beschloss auf Grundlage dieser Satzung, dass eine Mitgliedschaft in der neofaschistischen NPD, bei den Republikanern (REP) oder Parteien mit gleichen oder ähnlichen politischen Zielen unvereinbar ist mit einer Mitgliedschaft beim FC Schalke 04.
„Diese rechtsextremen Parteien sollen wissen, dass sie auf Schalke nicht willkommen sind und wir alles Mögliche tun werden, um sie bewusst aus dem Vereinsleben auszugrenzen“, erklärt Schalkes Vorstandsmitglied und Geschäftsführer Peter Peters. Der Verein führte in seinen Heimspielen Aktionen gegen Nazis und Rassismus in der Arena AufSchalke durch. Gegen Zuschauer, die durch rechte Parolen auffällig sind, will der FC Schalke 04 ein Hausverbot aussprechen.

Weitere Fan-Initiativen
Neben dem Bündnis aktiver Fans und der erfolgreichen Schalker Fan-Initiative gibt es zahlreiche weitere Fan-Initiativen, die sich gegen Ausländerfeindlichkeit und Rassismus engagieren, darunter die FCK-Fans gegen Rassismus in Kaiserslautern und die Löwen-Fans gegen Rechts aus München.
Es bleibt zu hoffen, dass sich viele Fußballanhänger solchen Initiativen anschließen – oder zumindest Zivilcourage beweisen und im Stadion gemeinsam die Stimme gegen rassistische, faschistische und antisemitische Sprüche erheben und Neonazis aus den Stadien fernhalten.

Wer sich über BAFF und die Ausstellung Tatort Stadion informieren will, kann das auf deren Internetseite tun unter: www.aktive-fans.de .

Ellis Laak.

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