3. Bundesweiter Fankongress
3. Bundesweiter Fankongress
in Oer-Erkenschwick"Ich war 'ne ziemliche Kartoffelpflanze"
und andere Erkenntnisse vom Fan-Kongress
Da der diesjährige Fan-Kongress, wieder vom Bündnis Aktiver Fußball-Fans (BAFF) im Salvador-Allende-Haus in Oer-Erkenschwick veranstaltet, an unserem Layout-Wochenende stattfand, fehlt die Zeit, um schon ein umfassendes Fazit zu ziehen. Dies wird dann im nächsten Heft nachgeholt, versprochen.
Der Anreise-Freitag wurde für uns St.Pauli-Fans etwas durch den ersten Spieltag gestört, so daß die meisten erst in der Nacht eintrafen. Es war aber auch noch nicht viel passiert, Kennenlernen und Wiedersehen halt, "Fever Pitch" wurde gezeigt, ebenso wie ein kurzer, aber guter Film über's Wintertreffen in Mainz. "Die Üblichen Verdächtigen", die das Konzertprogramm am Abend bestritten, wurden leider etwas allein gelassen, Musik am Freitag sollte für's nächste Jahr vielleicht gestrichen werden. Eine nächtliche DJ-Einlage scheiterte leider an drei fehlenden Kabeln.
Nach Frühstück und Begrüßung am Samstagmorgen (es waren übrigens mit gut 200 Teilnehmern doch weniger als im Jahr zuvor, die Vielfalt der Vereine wurde allerdings nach meiner Einschätzung noch übertroffen) begann die Podiumsdiskussion, an der nach viel Hin und Her im Vorfeld schließlich teilnahmen: Kevin Miles von der englischen Football Supporters Association (FSA), Michael Gabriel von der Koordinierungsstelle der deutschen Fan-Projekte (KOS), Pascal Claude ("Knapp Daneben"-Zine und FC Zürich-Fan), Alex Lutz (Fan des deutschen Meisters und BAFF-Vertreter), Ernst Thoman von der Spieler-"Gewerkschaft" VdV und als Moderator Christoph Schurian vom VfOUL aus Bochum, der seine WM-Aktivitäten im in der Headline verewigten Satz ausdrückte, sich dann aber mit "ähh, ich mein' couch potato" halbwegs rettete.
Der erste Teil stand im Zeichen der Korrektur der allgemeinen Medienberichterstattung zur WM, hauptsächlich in Bezug auf Zahl und Aktionen der englischen und deutschen Hooligans, sowie des Horrors mit den Eintrittskarten. Einzelheiten hierzu als auch zu den Ergebnissen der am Nachmittag eingesetzten diversen Arbeitsgruppen leider erst in ÜS 35. Der Abend ging über in die Nacht mit musikalischer Untermalung von "BASH" (gut), den "Stage Bottles" (grandios), einem unscheinbaren Orgelspieler, der sich neuerdings "Mambo Kurt" nennt (unbeschreiblich) und drei in einer gewissen Kneipe nicht unbekannten DJs (souverän). Auch hier sollte demnächst über eine kürzere Freizeit nach dem Abendessen und/oder eine Band weniger nachgedacht werden, denn die Plattenleger begannen erst gegen 2.30 h ihr Werk.
Am Sonntag wurden dann die Arbeitsgruppen-Resultate kundgetan bzw. die Erlebnisse der Nacht aufgearbeitet, denn auch wenn "Alkohol doch kein Ausweg ist", wie ein Mitglied des Fanclubs "Gleichteiler" zu wissen glaubte, sahen die meisten doch recht angeschlagen aus, ca. 15 völlig Angeschlagene hatten allerdings noch Kraft, um sich den Regionalliga-Kracher Cloppenburg vs. Herzlake anzutun, um einen gewissen Herrn Manzi wieder willkommen zu heißen, und einen gewissen Herrn Stisi einen Strafstoß verwandeln zu sehen.
Der entscheidende Rest folgt später, bis dann.
Aus: St. Pauli Fanzine "Der Übersteiger" Nr.34 vom 13.8.98
Notizen aus der Provinz
Neues aus BAFF-Land
So, da wären wir wieder, wie im letzten ÜS angekündigt, mit der etwas ausführlicheren Analyse des Fan-Kongresses in Oer-Erkenschwick. Im Prinzip jedenfalls, ich verweise da auf das Vorwort der letzten Ausgabe, und zwar den Teil mit den leeren Versprechungen ... doch dazu später.
Zunächst bedarf es noch eines Rückblickes auf die letzte Saison. Auf dem B.A.F.F.-Wintertreffen in Mainz wurde ja eine Aktion für den Stehplatzerhalt anläßlich des WM-Vorbereitungsspiels Deutschland vs. Kolumbien am 30. Mai in Frankfurt beschlossen - und dann sogar auch durchgeführt. Unter Federführung der Region Süd/Süd-West wurden 15.000 Flugblätter hergestellt, auf der einen Seite wurden unsere Vorstellungen von Stadionarchitektur dargestellt, auf der Rückseite wurde der mittlerweile legendäre "Hennes-Brief" vom Fan-Kongress '97 abgedruckt, denn das Ganze stand unter dem Motto "B.A.F.F. und DFB für Erhalt von Stehplätzen". Ja, ja, gegen Ironie im Stadion. Auf die diesbezügliche Presseerklärung reagierte natürlich kaum jemand, im Stadion wurde das Ganze von etwa 30 Leutchen veranstaltet und kam wohl auch recht gut rüber, so mit Papptafeln und Transparenten an schwarzen, roten und gelben Luftballons. Zwar wie immer (remember DFB- und UEFA-Demo) ohne durchschlagenden Erfolg, aber mit Spaß und Elan bei der Sache, wunderbar, als leuchtendes Beispiel gar nicht genug zu würdigen!
Und dann kam die WM und mit ihr Ticketchaos und Hooligan-Hysterie. Auf der Podiumsdiskussion wurde von Kevin Miles von der englischen Football Supporters Association (FSA) und Michael Gabriel von der Koordinierungsstelle der deutschen Fan-Projekte (KOS) hier erstmal Klartext geredet. Es war frustrierend mitanzuschauen, daß irgendwelche "fußballfremden Elemente" (laut Weltmeister Leboeuf "eine Beleidigung des Fußballs") hinter Hostessen mit "Danone"- oder "Coca Cola"-Schildern ins Stadion geführt wurden, welches die meisten wahrscheinlich zum ersten Mal betraten, und zugleich z.B. in Lens für 50.000 Engländer, die zum Spiel gegen Kolumbien angereist waren, offiziell ca. 3.000 Tickets zur Verfügung standen, die Schwarzmarktpreise angesichts dieses Verhältnisses kann man sich ja vorstellen. Bei den deutschen Spielen sah das ähnlich aus, auch Leute, die z.B. zum Qualifikationsspiel in Armenien mitgereist waren, gingen leer aus. Daß da der Frust zum Teil in Gewalt umschlägt, ist, denke ich, nicht unbedingt zu billigen, aber durchaus verständlich. Überhaupt, klar, es gab Hooligan-Ausschreitungen während der WM, sowohl auf englischer als auch auf deutscher Seite. Bei den Engländern bezog sich das allerdings angesichts der mehreren zehntausend Fans auf eine sehr geringe Anzahl, bei weitem nicht mehr so dominierend wie früher. Beim schon im Vorfeld als kritisch eingestuften Spiel Deutschland vs. Jugoslawien in Lens (wg. Gegner, Wochenende, nah an der Grenze) ist angesichts von ca. 500 Gewaltbereiten (übrigens incl. vieler eindeutig Rechtsradikaler, die auch, was Sprechchöre u.ä. anging, wohl zu den Wortführern gehörten) an den zwei Tagen kaum etwas passiert, hört sich zwar makaber an, aber ein (schlimmer) Vorfall und die immergleichen Fotos und Fernsehbilder von ein paar fliegenden Plastikstühlen machen noch kein neues Hooliganproblem. Was jedes Wochenende in und vor den Stadien passiert, wissen wir alle, es wird nur nie groß darüber berichtet...
Am Nachmittag waren dann diverse Arbeitsgruppen vorbereitet, u.a. zu den Themen Kommerzialisierung, Ultra-Szene, Stadionverbote, Medien, WM, Rassismus, Internet. Den Preis für den schönsten AG-Titel hat übrigens Andreas aus Köln gewonnen: "Geister, die ich rief werd' ich nun nicht los - Hooligans als der radikale Ausdruck einer gesellschaftlichen Grundstimmung". Zu den Ergebnissen der einzelnen Gruppen, die übrigens alle recht gut besucht waren (auch die AG 12a "Wir gucken uns zum zehnten Mal Fever Pitch' an"), soll es demnächst einen Reader geben, der eigentlich schon fertig sein und die Basis dieses Artikels darstellen sollte.
Nun ja, da ich die Ergebnisvorstellung am Sonntag morgen etwas, ähm verpaßt habe, werde ich Euch dann zu gegebener Zeit informieren.
Das diesjährige Beiprogramm war eigentlich hervorragend, z.B. was die Bands betrifft, auch die Panini-Tauschbörse war nach Anlaufproblemen gut besucht, sogar aus dem Ort kam extra jemand. Das Ganze sollte nächstes Jahr nur etwas gestrafft werden, am Freitag abend ist das Kennenlernen/Wiedersehen eindeutig wichtiger als 'ne (relativ unbekannte) Band. Ich könnte mir hier eher eine Fanzine-Lesung vorstellen, würde z.B. unserem Cheflyriker Wolti sicherlich zusagen, hat auch eine, gerade für den ersten Abend wichtige, persönlichere Atmosphäre als ein Konzert. Am
Samstag dann, wie bereits in ÜS 34 erwähnt, kürzere Freizeit nach dem Abendessen und lieber eine Band weniger, aber das wird schon noch, denn dieser Kongress ist (zu Recht) auf dem besten Wege, sich als feste Institution zu etablieren.
Aus diesem Grunde steht der Termin für nächstes Jahr auch schon fest: vom 25. - 27. Juni 1999 treffen wir uns also wieder im Salvador-Allende-Haus zu Oer-Erkenschwick (übrigens diesmal ganz für uns alleine reserviert). Das ist eine Woche nach Saisonschluß der zweiten Liga, also kein Spieltag kann da als Ausrede herhalten. Dafür läuft die Frauen-WM in den USA bereits, also wird der Fernsehraum auch ohne unseren sonstigen Begleiter Ligacup gefüllt sein.
Bis dahin werden sich auch die werten Kollegen vom "Schlafenden Riesen" aus Göttingen für einen würdigen Nachfolger als Hüter des Fanzine-Wanderpokals entschieden haben müssen, den sie beim diesjährigen Kongress vom Offenbacher "Erwin" überreicht bekamen. Hauptkriterien waren hier das A5-Format (!?) und die Leidensfähigkeit, was den supporteten Verein angeht.
Nun, was gibt's noch ... ach ja, das B.A.F.F.-Merchandise ist angelaufen, zunächst gibt's T-Shirts für 20,- DM, vorne mit kleinem Logo, hinten großflächig "Fußball braucht Stehplätze". In den Farben braun und grün erhältlich im Fan-Laden, bei zusätzlichen Farbwünschen wie rot, blau oder gelb wendet Euch bitte, wie auch sonst eigentlich, an B.A.F.F., Postfach 260112, 40094 Düsseldorf
Die in Oer groß angepriesenen B.A.F.F.-Sitzkissen waren irgendwie wohl nicht fertig
geworden, kommt aber sicherlich noch ... sicher aber kommen demnächst Kapuzenpullover in schwarz, blau und bordeaux mit kleinem Logo vorne.
Das Wintertreffen soll gerüchteweise in Göttingen stattfinden, da ist aber noch nix geklärt, ich werde Euch auf dem Laufenden halten, bis dahin erstmal tschüß.
Aus: St. Pauli-Fanzine"Der Übersteiger"Nr.35 vom 20.9.98