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Artikel der Süddeutschen Zeitung vom 1.8.2001:

Artikel der Süddeutschen Zeitung vom 1.8.2001:

Artikel der Süddeutschen Zeitung vom 1.8.2001:

Der Fan als Dunkelziffer

Auf der Suche nach dem verlorenen Zuschauer: Quoteneinbruch im TV-Fußball wird für die Liga riskant

München - Vom rapiden Kursverfall der ehedem führenden deutschen Fußballsendung ran hatte Oliver Germeroth bis gestern nichts mitbekommen. Aber den Quotenstand von 2,22 Millionen Zuschauern der verschobenen Show hat der leitende PR-Mann des badischen Ökostrom-Anbieters NaturEnergie auf Anhieb richtig deuten können: "Um Gottes Willen", entfuhr es ihm da, und dabei galt die Bestürzung nicht Jörg Wontorra und dessen Spießgesellen, sondern seinem eigenen Unternehmen. Das sponsert nämlich seit Saisonbeginn den SC Freiburg mit jährlich sechs Millionen Mark, "und da würden wir es natürlich sehr begrüßen, wenn die Sendung auf ihren angestammten Sendeplatz zurückkehrt, an dem auch die Zuschauer wieder teilhaben möchten", sagt Germeroth.

Auf der Suche nach den verlorenen Zuschauern hat ran- Moderator Wontorra am Ende gar "eine gewisse Dunkelziffer" ausgemacht. Demnach verbergen sich hinter Zweitfernsehern in Schlafzimmern und Rumpelkammern viele anonyme Fußballgucker, die den Zeugen des Saisonfehlstarts nicht zugerechnet wurden. Ansonsten erklärt er das Wetter und die Grillsaison für schuldig.

Dunkelziffer oder Biergarten - sollte die desaströse Quote ein Trend werden, berührt das einen Einnahmeposten, der ein Fünftel des Etats der Bundesligisten ausmacht. Durch Sponsoring und Bandenwerbung erwirtschaften die Klubs fast 200 Millionen Mark im Jahr - so viel wie in keiner anderen europäischen Spitzenliga. Attraktiv sind der Kauf einer Trikotbrust oder einer Stadionbande für Werbekunden aber nur dann, wenn Millionen vor den Fernsehern sitzen. Sinken die Einschaltquoten, sinkt auch der Werbewert von Hemden und Banden. Die Strategie der Kirch-Gruppe, auf Kosten der ran-Show ihr Abofernsehen premiere zu stärken, kollidiert mit den Interessen der Liga-Geldgeber. "Wenn 60000 Fans im neuen Schalker Stadion sind, ist das super. Aber die größere Reichweite haben die Fernsehsender. Ein großer Teil unseres Sponsoringpaketes ist die Banden- und die Trikotwerbung, und da wollen wir von so vielen Leuten wie möglich gesehen werden - daraus ergibt sich schon, dass Pay-TV allein nicht reicht", sagt Willy Lünstroth, Pressereferent der Victoria Versicherungsgesellschaften, die neuerdings für zwölf Millionen Mark pro Jahr den FC Schalke 04 sponsern.

Dass seiner Meinung nach "die Programmplanung vieler Fernsehsender derzeit ziemlich am Fan vorbeigeht", findet unter anderem Bestätigung im Appell des Bündnisses aktiver Fußballfans (BAFF) mit seinen 4000 Mitgliedern. Baff ruft die Anhänger auf, als Zeichen "gegen die Eventisierung und Kommerzialisierung des Fußballs" den Kauf von Dekodern zu boykottieren und fordert "eine Alternative zur ran-Verfälschung".

So viel Anti-Fernseh-Stimmung könnte Folgen haben. "Sollten die Quoten so niedrig bleiben, würden wir uns einem hohen Argumentationsdruck ausgesetzt sehen", erklärt Katja Kraus, Sprecherin des Vermarkters Ufa. Das ist dezent formuliert. "Wenn nur noch die Hälfte zuschaut, gehen 50 Prozent der Leistungen den Bach runter", wird Jochen Röttgermann, Manager der Agentur Sportscom, deutlicher. Sportscom betreut mit eon bei Borussia Dortmund, debitel beim VfB Stuttgart und Veltins bei Schalke drei große Kunden. "Wir würden ihnen bei gleichbleibender Entwicklung raten, die Verträge anzupassen", sagt Röttgermann. Anpassung nach unten.

"Das würde ich an deren Stelle auch sagen", meint Peter Peters, Geschäftsführer des FC Schalke 04. Er hält die Diskussion zwar für verfrüht, dennoch gibt Peters zu, dass es sich auf die Einnahmen der Klubs auswirken dürfte, wenn es weiter so eine "träge Entwicklung" im Free-TV geben sollte. "Man muss allerdings abwarten, was die kumulierten Quoten ergeben", meint Marco Klewenhagen, Chefredakteur der Fachzeitschrift Sponsors. So könnten Verluste bei ran durch bessere Zahlen beim ZDF- Sportstudio oder den Sendungen des DSF ausgeglichen werden. Schließlich "zählen die Kontakte", sagt Klewenhagen, der dafür um so interessierter den Streit um die Kurzberichte in der Tagesschau verfolgt hat: "Eigentlich müssten die Sponsoren doch fragen: Da sind fünf Millionen Kontakte - und die wollt ihr uns nicht geben?" Dass die Vereine zunächst bei der Gängelung der ARD-Teams assistierten, zeigt auch für Röttgermann "ganz klar eine Interessenkollision". Er findet, dass die Klubs aufgrund der Abhängigkeit von TV-Einnahmen "schon an der kurzen Leine geführt werden".

Generell diktieren in den Sponsoren-Verträgen Erfolge, Titel oder internationale Beteiligung die Höhe der Zuwendungen. Auch Daten über Fernsehpräsenz und Zuschauerzahlen können eine Rolle spielen, und sollten diese Werte deutlich zurückgehen, gibt es Abschläge.

Trikotwerbung habe sich als effektives Mittel durchgesetzt, sagt Klewenhagen: "Man kann sich vielleicht an keinen Werbespot in ran mehr erinnern, aber mit Sicherheit an viele Trikotsponsoren." Dass die ARD- Stationen am Samstag zehn Millionen Radiohörer zählten, findet Willy Lünstroth vom Schalke-Sponsor Victoria zwar beachtlich: "Aber leider sehen die unser Trikot nicht."

Christoph Biermann/Philipp Selldorf

Der Originalartikel ist zu finden unter http://www.sueddeutsche.de/aktuell/sz/artikel64945.php

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