BAFF-Wintertreffen im Dezember 1995 in Hattingen
BAFF ist tot - Es lebe BAFF
BAFF-Treffen vom 15.-17.12.1995 in HattingenVorweihnachtszeit. Das Wochenende vor Heiligabend. Millionen von Kaufrausch-Geschädigten pilgern von Konsumtempel zu Konsumtempel, um noch auf den letzten Drücker das passende Paar Socken für den Liebsten zu finden und sich den spitzesten Stern für ihren absurden heimischen Plastik-Baum zu sichern.
20-25 Unentwegte ziehen es allerdings vor, dem Trubel gekonnt aus dem Wege zu gehen, um sich im malerisch-gelegenen Hattingen vor den Toren Bochums in der dortigen Jugendbildungsstätte zu treffen. Die Zukunft von BAFF! stand auf dem Spiel und als letzter Punkt auf der Tagesordnung. Neben Schalkern, Bochumern, Münchnern, Berlinern, Düsseldorfern, Dortmundern, Bielefeldern etc., fanden auch Sven und ich den Weg in die Ruhrpott-Metropole.
Allerdings reichte uns diese Reise nicht- nein, wir mußten am Vorabend des Treffens auch noch auf Einladung des ASTAs der Uni Trier- eben dort- einen Vortrag über "Gewaltprävention beim Fußball" halten. Genauso wie die anschließende Studenten-Party und der noch später folgende Zwischenstop im Früh's Brauhaus zu Köln, wurde aber auch jenes Spektakel mit Bravour gemeistert.
Zurück nach Hattingen. Mehr als zweieinhalb Jahre BAFF! (Bündnis Antifaschistischer Fußballfans/Fanclubs und Faninitiativen) liegen hinter uns. Einstmals gegründet, um bundesweit organisiert gegen Rassismus, Faschismus und deren ekelhafte Ausprägungen im Stadion vorgehen zu können. Einen regen Austausch von Informationen sollte es geben. Gemeinsame Aktivitäten sollten besser koordiniert werden. Was passierte?
Hm, eigentlich zuerst eine ganze Menge. Das in Hamburg und Berlin abgesagte Länderspiel Deutschland-England am 20.4.1994 war vor allem ein Erfolg der Öffentlichkeitsarbeit, in die auch BAFF!-Leute involviert waren. Ein weiteres Highlight war dann der von BAFF! organisierte, durchgeführte und von fast 200 Leuten besuchte Fan-Kongress in D'dorf während der WM '94, bei dem es im Endeffekt aber nicht so harmonisch zuging, wie im Vorfeld von uns erwartet (Stichwort: Keine Verabschiedung des Anti-Rassistischen Forderungskataloges, Sexismus-Debatte). Die Berichterstattung in den Medien war ja eigentlich ganz gut. 3 Fernsehsender, diverse Radiostationen, sowie etliche Vertreter der schreibenden Zunft waren vor Ort. Die Medien hatten BAFF! erstmals überregional wahrgenommen. Erstmals ging es beim Kongress nicht nur um konkrete Möglichkeiten, den Faschos im Stadion entgegenzutreten, sondern auch um andere fanspezifische Probleme wie Kommerzialisierung des Fußballs und Versitzplatzung der Stadien.
Danach passierte allerdings mit Ausnahme der von BAFF! mitorganisierten Fan-Demos für den Erhalt von Stehplätzen vor'm DFB, bzw. der UEFA in Frankfurt und Genf (ÜS berichtete) nicht mehr viel. Es gab zwar diverse, aber wenig ergiebige Treffen. Die Luft schien ein wenig raus zu sein. So mußte sich im Dezember in Hattingen entscheiden, ob wir die Idee von BAFF! zu Grabe tragen, oder ob wir uns noch einmal zusammenraufen und uns am eigenen Schopfe aus dem Lustlosigkeits- und Frustrations-Sumpf ziehen. Wir entschieden uns (logisch) für die letztgenannte Alternative.
Das Strukturproblem von BAFF!, der mangelnde Informationsfluß zwischen den einzelnen regionalen Gruppen, das Selbstverständnis, die Organisationsstruktur, unzureichnede Presse- und öffentlichkeitsarbeit und die Institutionalisierung von BAFF! wurden im Laufe des zweiten Sitzungstages sehr konstruktiv (teilweise aber auch kontrovers und hitzig) diskutiert. Die wichtigsten Ergebnisse und Neuerungen will ich Euch hier kurz vorstellen:
1. Das Kind hat einen neuen Namen bekommen. Schmerzlich, oder auch weniger schmerzlich trennten wir uns von BAFF!, um nach langer Diskussion den Namen BAFF! zu tragen. Das antifaschistische "A" wurde in ein- nicht weniger antifaschistisches aktives "A" getauscht. Ganz einfach, weil unsere Arbeit (wie bereits angesprochen) nicht mehr auf Antifa-Arbeit begrenzt ist, viele Leute der Ansicht waren (und sind), daß jenes aus mehreren Gründen heraus- auch im Namen deutlich gemacht werden sollte.
2. Ab sofort kann jeder bei BAFF! Mitglied werden, egal ob Einzelperson oder Gruppe. Der Jahresbeitrag wird für die Einzelperson 24 DM, für Gruppen 120 DM betragen.
3. Über von BAFF! zu treffende Entscheidungen kann ab sofort intern abgestimmt werden (einfaches Mehrheitsprinzip). Das Konsensprinzip gibt es nicht mehr. JedeR bei Treffen Anwesende hat eine Stimme.
4. Ein minimaler BAFF!-Konsens (was Struktur und Inhalte angeht) wird umgehend als eine Art Grundsatzpapier vorgelegt werden.
5. Beim nächsten Treffen werden BAFF!-SprecherInnen, bzw. VertreterInnen gewählt, die die Meinung von BAFF! in der öffentlichkeit (Presse) vertreten können.
6. Es bilden sich regionale BAFF!-AGs (z.B. mit der AG "Kohlenpott" schon geschehen), die sich regelmäßig unabhängig von bundesweiten BAFF!-Treffen austauschen.
7. Ab sofort gibt es Regionalvertretungen für Nord, Nordost, West, Südwest und Süd, um es den an BAFF! interessierten Personen zu erleichtern an uns heranzutreten, indem sie jemanden in ihrer Region sitzen haben.
8. Intern wurden noch die Positionen des Kontoführers und des bundesweiten Vertreters neu besetzt.
Das nächste Treffen wird vermutlich während der EM in Freiburg stattfinden. Der halbjährige Veranstaltungsmodus bleibt bestehen. Bis dahin werdet ihr aber noch von uns hören. Konkret für die nächste Zeit geplant sind Anzeigenkampagnen gegen die Versitzplatzung, eine Kampagne gegen die WM 2006 in Deutschland, vielleicht Film-/Werbespot-Geschichten etc. Beim Spiel St.Pauli - Rostock wird außerdem, aus bekannten Gründen, eine Vielzahl von BAFF!-Beobachtern vor Ort sein. So, zum Schluß mein Rat an Euch: Werdet Mitglied! Arbeitet mit. Auch wenn sich dieses hier vielleicht ein wenig bürokratisch-spießig liest, vergesst nicht, daß wir eigentlich doch ein bunt zusammengewürfelter Haufen sind, dem nichts weltliches fremd und kein Bier zuviel ist. Kontakte erstmal über den Fanladen herstellen.
Aus dem St. Pauli Fanzine "Der Übersteiger" Nr.19 vom 17.2.96