Teilnahme von BAFF am 1. Fans United Day
1. Fans United Day / 9.2.1997 "We want Archer out!"
Fans protestieren gegen das Aus von Brighton FC
Für 56 Pfund erkaufte sich der Geschäftsmann Bill Archer vor über einem Jahr den Vorsitz des englischen Traditionsvereins Brigthon & Hove Albion FC, um bald darauf das Stadiongelände entgegen der Bestimmungen des englischen Fußballverbands (FA) und ohne Mitgliederbefragung an Spekulanten zu verkaufen. Jetzt steht der Verein vor dem sicheren Aus, da auf dem Gebiet des Goldstone-Stadions ein Einkaufszentrum entstehen soll und das vernachlässigte Team als Tabellenletzter vor dem Abstieg aus der 3. Division in die Bedeutungslosigkeit steht. Im Mai 1997 wird bereits mit dem Abriß des 1902 erbauten und sehr baufälligen Stadions begonnen, während ein neues Spielfeld nicht in Aussicht ist. Das vage Angebot, im 120 km entfernten Gillingham zu spielen, lehnen die Fans aus Brighton strikt ab.
Sie protestierten zunächst mit Gesängen, Flugblättern und Leserbriefen in der lokalen Presse, bis sich 1996 die Brighton Independent Supporters Association (BISA) "gegen Gier und Korruption" gründete, die unabhängige Fans mit den örtlichen Fanclubs vereinigt und sich für ihre Mitbestimmung einsetzt.
Mitgründer John "Attila the Stockbroker" Baine sieht nach über einem Jahr des Protests zwar Reaktionen in der Öffentlichkeit, aber keine Veränderung: "Die FSA (Football Supporters Association) hält sich raus, die FA kümmert sich nur um die Premier Division und die Bewerbung um die WM 2006, während ihre Verbandsregeln für Brighton nicht angewendet werden."
Eine sog. Pitch Invasion, wo mehrere Fans mit Transparenten während eines Spiels auf das Spielfeld liefen, führte zum Punktabzug. Protestaktionen vor dem Haus Archers und dem FA-Gebäude in London folgten. Der Manager David Bellotti, der im nahen Eastburne wohnt, ist täglich den Bedrohungen der Brighton-Fans ausgesetzt, die ihn und Archer auch im Stadion mit fragwürdigen
Gesängen beschimpfen. Die BISA distanziert sich von solchen Ausdrucksformen, "aber viele Fans können ihre Wut nicht zurückhalten", weiß Attila the Stockbroker.
Die Frau des Vorsitzenden, der weit weg im Norden Englands wohnt und angeblich nie ein Spiel im Goldstone-Stadion besucht hat, erlitt angesichts des öffentlichen Drucks einen schweren Herzanfall - dennoch gibt Archer nicht auf. Er reagierte nicht auf ein Konzept einer Oppositionsgruppe von Fans und einflußreichen Unternehmern und lehnte die Beauftragung eines Schiedsgerichts ab. Obwohl auch die Stadtadministration, die Polizei Brightons und die Medien landesweit seinen korrupten Alleingang verurteilen, steht das Schicksal des Klubs, der 1983 im englischen Cupfinale erst im Wiederholungsspiel gegen Manchester United unterlag, scheinbar unwiderruflich fest. Nach dem Verlassen eines Spiels 15 Minuten vor dem Schlußpfiff und dem Boykott eines weiteren ist der Fall Brighton in der englischen Fußballfanszene zu einem Symbol der gnadenlosen Kommerzialisierung des Fußballs, dem Abbau der Stehplätze und der Nichtbeachtung der Zuschauer geworden. Mittlerweile sind sechs englische Klubs ähnlich bedroht.
"Fans United -
we´ll never be defeated"
Nun riefen BISA, die "Internet Seagulls" und zwei Brightoner Fanzines zum "Fans United"-Tag am 8.02.1997 auf. Aus ganz Großbritannien, Irland, Polen und Spanien kamen rund 11.000 Fans, um vor und während des Heimspiels gegen Hartlepool United sowie der versammelten englischen Presse und Fernsehen ihren Protest zum Ausdruck zu bringen. Auch das Bündnis Aktiver FußballFans (BAFF) war mit acht Vertretern aus Bochum, Darmstadt, Duisburg, Köln und Mainz nach einer 12 stündigen Marathonfahrt in Brighton angekommen - im Stadion traf man dann noch einen Frankfurter Kollegen. Durch die BAFF-Finanzierung und die wichtige Unterstützung des Mainzer Fan-Projekt-Busses (vielen Dank) war diese BAFF-Aktion möglich geworden. [Vielen Dank geht an dieser Stelle an Attila, der den Schlüssel stecken ließ und uns aus der ganzen Tiefe seines Kühlschranks sehr gut versorgte.
Zwischen Benefiz-Konzerten am Freitag- und Samstagabend sowie den Kundgebungen im Hove Park und vor dem Stadion folgte eine symbolische Menschenkette um das Stadionrund, bevor die Fans zum lautstarken Protestgesang in die Fankurven gingen. Um dem Verein nicht unverhoffte Mehreinnahmen einzubringen, durchbrachen ca. 2.000 Fans spontan einen Zaun und kamen ohne Eintrittskarten ins Stadion. "It´s our game, not theirs" war ein Motto der BISA - bewußt wählte man nicht das bekanntere "Reclaim the game" der im Hintergrund gebliebenen FSA.
Im Stadion bot sich ein buntes Bild mit zahlreichen Transparenten, spontanen Gesängen und hunderten kleiner "Archer out"-Plakate, die gemeinsam hochgehalten wurden. "Eine Pitch Invasion war heute nicht nötig, weil wir durch die Veranstaltungen und die anwesende Presse eine unheimlich große Resonanz hatten", sagte Attila zufrieden. Auch wir BAFF-Leute wurden überschwenglich begrüßt. Die zahlreichen Kinder auf der Mauer hinter dem Tor wollten allesamt abgeklatscht werden und ein alter Mann, dem die Tränen über beide Backen liefen, umarmte mich: "One day we will do it for you".
Auch das Brightoner Team reagierte auf die Kulisse und gewann zum ersten Mal seit fünf Jahren mit 5:0 (3:0) und einem Hattrick von Maskell. Symbolisch schoß einer der Spieler uns den Ball zu. "Wir werden weitermachen, denn Brighton ist nur der Anfang. Die Menschen hier haben nicht allein für Brigthon demonstriert, sondern für den Fußball, der den Fans gehört", resümiert Attila auf der tollen Party bei Songs, Poems und dem eigens für diesen Tag gebrauten "Fans United"-Bier. Am 13.02. gab es eine zwischenzeitliche Besetzung des FA-Hauptgebäudes in London während der Berufungsverhandlung um den Punktabzug, weitere Aktionen sollten folgen.
Und im Moment sieht es so aus, als würde sich einiges zum Besseren wenden. Archer ist bereit, sich mit der Oppositionsgruppe an einen Tisch zu setzen und ihr Konzept für ein Stadion ganz in der Nähe des halbzerfallenen Goldstone Grounds zu diskutieren. Attila the Stockbroker ist bereits dabei, erste Feierlichkeiten zu planen. Auf dem Fan-Kongreß vom 25. - 27. Juli 97 in Erkenschwick könnt Ihr mehr über Englandhorror und Brighton erfahren, denn Attila wird anwesend sein.
Aus: St. Pauli-Fanzine "Der Übersteiger" Nr.26 vom 12.4.97