Unabhängige Fans übernehmen Trikotsponsoring
Unabhängige Fans übernehmen
Tikot-Sponsering des Berner Fußball Clubs Young BoysDie Kapitale erwacht
Mit dem Schriftzug GEMEINSAM GEGEN RASSISMUS auf der Brust, nehmen die Spieler des mehrfachen Schweizer Meisters Young Boys (YB) die Rückrunde der Meisterschaft in Angriff. Zwei Gründe führten zu dieser, im sonst eher zähflüssigen Bern, ziemlich fortschrittlichen Aktion.
Der einzige A-Ligist der Region befindet sich wirtschaftlich in einer katastrophalen Situation. Nach dreizehnjähriger Präsidentschaft des Mäzens Bär ist der Traditionsclub ausgeblutet wie ein gestochenes Kalb. Denn als solches, genauer als goldenes, wurde der Club mißbraucht. Der spekulativ agierende Präsi führte ein wahres Spielerhandels-System ein. Zusammen mit den allseits bekannten Vermittlern, wie Langhans, wurden meist Skandinavische Talente, aber auch eigene Nachwuchsleute von seiner Investment-Firma aufgekauft.
Anfangs brachte diese quasi privatwirtschaftliche Mannschaft auch Erfolg. Mit Titel (86) und Cup (87). Dann, Anfang der Neunziger, begann sich das System zu verselbstständigen. Die Sklaven, pardon Spieler, wurden nach rein marktwirtschaftlichen Kriterien gehandelt. Die Profite flossen in die Taschen der Firma. Das nahende Ende vor Augen, wurde alles verkauft was Rang und Namen hatte. Dem Trainer wurden die Spieler förmlich aus dem Team gestohlen. Paradebeispiel ist Peter Novaks Abgang zwischen den beiden UEFA-Cup-Spielen gegen Celtic (93), was das Out bedeutete.
Nun saß der Club da, ohne Routiniers und ohne Geld. Eine gute Gelegenheit für Bär den Hut zu nehmen, nicht ohne die Undankbarkeit, die bekanntlich der Welten Lohn ist, zu bejammern. Da auf die Schnelle kein Nachfolger gefunden wurde, übernahm vorübergehend die Stadiongenossenschaft die Geschicke des Vereins.
Heute wird wieder mit gewähltem Präsidium eine Art Katastrophen-Management betrieben. Die Schulden belaufen sich auf ca. 3 Millionen Franken, was für hiesige Verhältnisse ganz schön happig ist.
Die Spielerlöhne, meist in der Höhe von normalen Einkommen, sind bis 4 Monate ausstehend; von Streik war in diesem Winter die Rede. Sportlich geht's das zweite Jahr hintereinander gegen den Abstieg. Nur logisch, daß der Hauptsponsor (Popel) und der Ausrüster (Puma) ausgestiegen sind. Image!
Statt nackt, spielt man nun mit Rausch (oder so). Nur die Brust blieb leer, was natürlich auch den politisch engagierten Sympathisanten der gelb-schwarzen nicht entgangen war.
Und diesen hat in den letzten Jahren eine Entwicklung auf den Rängen mächtig zu denken gegeben: Die Ausbreitung der "East-Side Supporters", eine Gruppe von etwa 50 Dumpfbacken, die keine Gelegenheit aussläßt, gegnerischen Fans (auch Kindern) in die Fresse zu hauen. Celtic-Fans erinnern sich. Leider war der Verein weder fähig noch willens dem Spuk ein Ende zu setzen, obschon Brandanschläge auf Asylbewerberheime und Mitgliedschaft in einer verbotenen Organisation (Hammer-Skins) nachgewiesen wurden. Auch war in Bern keine gleich große Zahl Antifas aufzutreiben, um mal etwas Gleichgewicht zu spielen - abgesehen davon, daß die Lümmel eh ein Fall für die Justiz sind.
Warum also nicht mal etwas Druck von ungewohnter Seite. Auf Initiative des agilen Journalisten Urs Frieden wurde ein Vertrag zwischen der neugegründeten Aktion "Gemeinsam gegen Rassismus" und dem Club unterzeichnet.
Der Clou ist, ideelles Sponsoring mit einer Spendenkampagne und einem Maßnahmepaket zu verbinden.
Darin verpflichtet sich der Verein zur Einhaltung von folgenden Punkten:Spieler und Offizielle müssen dem Anti-Rassismus-Slogan auf und neben dem Spielfeld nachleben Aufnäher, Kleber und Transparente mit rassistischem Inhalt dürfen nicht ins Stadion mitgenommen oder dort verkauft werden. Dieser Passus entspricht einer seit langem gestellten Forderung der organisierten anti-rassistischen Fans in Deutschland (BAFF), die dort noch der Verwirklichung harrt. Der Aktion wird kostenlos Platz in der Matchzeitung, im Cluborgan und bei Lautsprecherdurchsagen eingeräumt Spieler und Offizielle halten sich für entsprechende Veranstaltungen und Pressetermine zur Verfügung Hitlergrüße und tätliche Angriffe auf AusländerInnen werden mit Stadionverbot bestraft
Und das alles für den Betrag von 50.000 Franken (60.000 Mark) bis Ende der Saison. Pro Nichteinhaltensfall wird von der Garantiesumme ein vertraglich vereinbarter Betrag abgezogen (3.000 Franken). Falls mehr Geld zusammenkommt, fließt es in die Vereinskasse, wobei sich dann die Dauer des Engagements verlängern würde.
Weiter verpflichtet sich der Club, ab einer bestimmten Summe, einen festgeschriebenen Anteil antirassistischen Organisationen abzutreten. Wie der Vorstand an der ersten Pressekonferenz beteuerte, stehe er voll und ganz hinter der Sache. Er weiß, daß ein Imagegewinn dem Überlebenskampf der Young Boys entscheidene Impulse geben kann.
Zur Stunde ist nicht abzuschätzen, was die Initiative noch alles auslösen wird. Vielen Institutionen bietet diese Aktion einen Aufhänger, Geld für YB loszueisen. Eine Nachbargemeinde von Bern sprach am Tag nach Bekanntwerden von 50.000 Franken. Andere werden nachziehen. Der FC Zürich will auch einsteigen und bei anderen Clubs und sogar bei der Nationalliga vorsprechen. Weiter geplant ist eine Zusammenarbeit mit der Spielervereinigung Profoot, Veranstalten eines Benefiz-Konzertes, AusländerInnen-Fest u.s.w.
Fazit: Eine runde Sache, die ihre Wirkung nicht verfehlen wird und hoffentlich auch in Deutschland und anderen Ländern Nachahmer findet.
Ich bin optimistisch. (Res Hofer)
Wer Aktionen planen will und Infos braucht, meldet sich bei:
Knastgruppe (Aktion "Gemeinsam gegen Rassismus")
Postfach 7907
Ch-3001 Bern
Aus: St. Pauli-Fanzine "Der Übersteiger" Nr.20 vom 6.4.96