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Interview mit dem VdV-Geschäftsführer Ernst Thoman

 

Interview mit dem VdV-Geschäftsführer Ernst Thoman
„Die Umwandlung in eine Aktiengesellschaft ist bei vielen Vereinen vom Tisch“
Der Fußball entwickelt sich immer mehr in zwei verschiedene Richtungen. Auf der einen Seite gibt es ihn immer noch als Breitensport, der Tag für Tag von Millionen Menschen praktiziert wird. Auf der anderen Seite steht der Profifußball als eigener Wirtschaftszweig. Die Vereine verzeichnen Millionenumsätze, angetrieben durch Fernsehanstalten die Milliarden für Übertragungsrechte investieren. Es schien noch vor Jahresfrist nur eine Frage der Zeit, wann die ersten Aktien von Bundesligavereinen im Umlauf sind. Doch die Entwicklung ist ins Stocken geraten. Neue Finanzquellen durch die individuelle Vermarktung von Übertragungsrechten an Unternehmen wie die UFA oder Kinowelt haben die Situation stark verändert. Come Back sprach mit Ernst Thoman, Geschäftsführer und Jurist der Vereinigung der Vertragsfußballer (VdV), über Börsenspekulationen, UFA und die finanzielle Situation der Profivereine.
Noch vor einem Jahr haben viele Bundesligavereine den Gang an die Börse und damit die Umwandlung in eine Kapitalgesellschaft geplant. Mittlerweile ist eine gegenteilige Entwicklung zu bemerken und vom „Börsenboom“ nicht mehr viel zu spüren.

Der Börsengang mag anfangs mit der Verheißung auf einen Haufen frisches Geld den Blick verstellt haben. Nachdem sich DFB und Vereine, übrigens auch in einer gemeinsamen Arbeitsgruppe, mit dem Thema intensiv auseinandersetzten, weiß man, daß der Börsengang nicht für jeden Verein das Tor zum Paradies ist.
„Der Irrtum von 50 Prozent plus eine Aktie“
Worin liegen die Gründe dafür?

Von rund 30 Vereinen in acht europäischen Ländern, die an der Börse plaziert sind, konnten nur Manchester United und Bröndby Kopenhagen beachtliche Gewinne verzeichnen. Gerade in England, wo immer so gern das Beispiel Manchester bemüht wird, notieren die meisten Vereine deutlich unter dem Einführungskurs. Ein Klub ging Konkurs, zwei weitere standen kurz davor. Mit dem Fußball an der Börse ist es offenbar wie auf dem Rasen: Sieg und Niederlage, hohe Gewinne und Pleiten liegen dicht beieinander.
In der Bundesliga selbst sehe ich vor allem zwei Gründe für Zurückhaltung: Einmal wird man die Entscheidung der EU-Wettbewerbskomission zur Frage der zentralen oder dezentralen Fernsehvermarktung abwarten. Von dieser Entscheidung hängt sehr viel ab, sie könnte die ökonomischen Bedingungen des Fußballs insbesondere auf dem Hintergrund angeblich blühender Fernsehlandschaften erheblich verändern.
Zweitens geisterte lange die ominöse Zahl von „50 Prozent plus eine Aktie“ durch die Diskussion. Man glaubte, daß der Verein mit dieser Aktienmehrheit das Sagen behält. Aber das ist ein Irrtum.
Welchen Prozentsatz der Aktien müßte ein Verein denn behalten, um die Geschäftspolitik noch selbst bestimmen zu können?
Nur mit dem Verbleib von 75 Prozent + eine Aktie kann der Verein absolut sicher sein. Alles andere ist gefährlich und öffnet die Türe für fremde, nicht fußballspezifische Interessen. Großanlegern ist es egal, ob sie an der Börse Zahnpasta oder Fußball kaufen und verkaufen. Und ich denke, daß dies ein zentraler Punkt zum Beispiel für den FC Bayern und seine erstmal ad acta gelegten Börsenpläne ist: Mit dem Selbstverständnis der Bayern dürfte die Vorstellung ziemlich unvereinbar sein, daß eine britische Großbank oder ein amerikanischer Pensionsfonds die Politik an der Säbener Straße bestimmt.
Bei welchen Vereinen ist der Börsengang noch zu erwarten und wer wäre überhaupt dazu geeignet?
Vor dem Börsengang steht die Umwandlung des Vereins in eine AG. Das Aktienrecht hat hier strenge Voraussetzungen. Bayern und Dortmund, aber auch Kaiserslautern und Schalke kommen in Frage. Sicherlich auch Bayer Leverkusen, das sich aber für die Rechtsform der GmbH entschieden hat. Kaiserslautern beabsichtigt ebenfalls eine andere Rechtsform als die der AG. Auch diese Beispiele unterstreichen den Umdenkungsprozeß. Nur Borussia Dortmund hält unverändert an den Plänen einer AG fest und will sie bis Ende des Jahres umsetzen.
Und, dies ist kein Witz, in der Regionalliga Nord möchte der SV Wilhelmshaven zur AG mutieren. Das könnte rechtlich spannend werden, da der DFB-Bundestag nur den Lizenzvereinen die Umwandlung gestattet hat
„Fortuna an der Börse? Ein Karnevalsscherz“
Wie sieht das bei kleinen Vereinen wie zum Beispiel Fortuna Düsseldorf aus, wenn sie an die Börse wollten?

Das wäre ein Karnevalsscherz zur Unzeit. Ich kann mir nicht vorstellen, daß Verantwortliche bei der Fortuna solche Überlegungen anstellen. Düsseldorf ist zwar Börsenstandort, aber die Fortuna wird auf absehbare Zeit die Voraussetzungen für die Zulassung als AG und die Börsenzulassung ganz sicher nicht erhalten. Dazu sind unter anderem die letzten fünf Geschäftsjahre als schuldenfrei nachzuweisen. Und damit wäre das Thema für die Fortuna wie für die Mehrzahl der Vereine durch.
Welche Folgen hätte es, wenn Bayern und Dortmund an die Börse gingen? Würde die Schere zwischen „arm“ und „reich“ immer mehr auseinander gehen?
Mit der Schere zwischen „arm“ und „reich“ wird seit über zwanzig Jahren hantiert. Das Zitat läuft Gefahr, leider abgedroschen zu wirken in einer Zeit, in der die Unterschiede so groß wie nie zu werden drohen. Die Bundesliga, auch die zweite Liga, hat bei allen ökonomischen Klassenunterschieden doch stets einen sauberen, sportlichen Wettbewerb bewiesen. Das kann sich dramatisch ändern. Die Gründe liegen nicht zuerst in der Börsenidee, sondern in den phantastischen Möglichkeiten der neuen Fernsehwelt. Drei Millionen Kunden im Pay per view bei einem Topspiel der Bayern, die zwanzig Mark für die Übertragung zahlen, bringen brutto 60 Millionen Mark. Das ist der Etat einiger Bundesligisten für die ganze Spielzeit. Das drängendste Problem lautet daher: Kann die Fernsehlandschaft künftig solidarisch so geordnet werden, daß in der Bundesliga weiter echter sportlicher Wettbewerb herrscht? Und: Bleibt die wirtschaftliche Basis der zweiten Liga mit der Subventionierung durch Fernsehgelder erhalten?
„ Der Abstieg muß immer möglich bleiben“
Die Kehrseite des sportlichen Wettbewerbs ist die Forderung nach „Planungssicherheit“.

Ich bin für so viel Planungssicherheit für die Vereine wie möglich. Die Vereine sollten sich von mir aus gegen den Abstieg und für den Aufstieg versichern und bei Eintreten des Versicherungsfalls dicke Prämien kassieren. Solche Versicherungen werden bald trendy sein. Aber eines darf der Kreativabteilung der Fußball-Ökonomen niemals gelingen: Daß am sportlichen Auf- und Abstieg gerüttelt wird. Der Abstieg muß immer möglich bleiben, auch wenn große Namen, Gründungsmitglieder der Bundesliga wie zuletzt der 1. FC Köln, davor die Lauterer, betroffen werden.
Planungssicherheit beginnt damit, daß sich Vereine zu professionellen Strukturen verpflichten. Schalke beispielsweise hat damit angefangen, wurde Europacup-Sieger, baut ein neues Stadion für 300 Millionen, hat plötzlich mehr Verletzte als Stammspieler und spielt gegen den Abstieg. Wie gesagt: Erfolg und Mißerfolg können sich im Fußball ganz schnell die Hand geben. Aber genau das macht doch unsere Emotionen und unsere Leidenschaft aus - und, ich muß mich ja fast für diese romantische Vokabel entschuldigen, doch auch unsere Liebe zum Fußball. Die kann man in den Stadien allerdings nicht in den VIP-Logen entdecken.
In welche Dimensionen werden die Spielergehälter steigen?
RTL soll für den Verbleib der Übertragungsrechte für die Champions League statt zuletzt 120 Millionen jetzt 250 Millionen zahlen. Dazu paßt die Vision des Uli Hoeneß, der für die Vereine eine Verdreifachung der Fernseheinnahmen erwartet. Warum dann nicht auch eine Verdoppelung der Spielergehälter? Es sind immer noch die Spieler, die den Fußball inszenieren. Innerhalb der nächsten fünf Jahre werden Topspieler in der Bundesliga die Schallmauer von zehn Millionen Mark durchbrechen. In der Relation zur Umsatzentwicklung der Vereine sind die Spielereinkommen und die Durchschnittsgehälter absolut gerechtfertigt.
Mittlerweile zeichnet sich eine neue Entwicklung ab, daß immer mehr Vereine mit Medienriesen wie UFA oder Kinowelt verhandeln.
Ja, jetzt kommt ein neuer und sehr interessanter Gesichtspunkt hinzu. Die Umwandlung in eine Aktiengesellschaft ist bei vielen Vereinen deshalb vom Tisch, weil sich bei der Frage, wie finanziere ich ein neues Stadion, andere Möglichkeiten aufgetan haben. Aber auch darin steckt die Gefahr der Auslieferung des Vereins an ökonomische Interessen. Ein Beispiel ist Hertha BSC, wo der Verein von der UFA beherrscht wird. Dann gibt es Vereine wie den HSV oder Nürnberg, bei denen die UFA im erheblichen Umfang den Verein finanziert. Und wer finanziert, der möchte auch profitieren.
Neue Probleme
Börsengang oder die Abgabe der Selbstbestimmungsrechte an Mediengiganten - was ist das größere Übel?

Ich möchte nicht vom Übel sprechen. Zunächst einmal hat die Entwicklung auch einen äußerst positiven Aspekt, nämlich die Auseinandersetzung mit zeitgerechten Führungsstrukturen in den Vereinen. Ein Lizenzverein kann nicht mehr in der gleichen Rechtsform wie ein eingetragener Gesangsverein nach den Vorschriften des BGB von 1896 geführt werden.
Auch ist die Frage nach der Alternative zwischen Börse oder Mediengiganten unscharf gestellt. Das Abflauen der Börseneuphorie zeigt nämlich auch, daß man in den Vereinen die Optionen sehr verantwortungsvoll reflektiert. So hat sich Bayer Leverkusen für die Rechtsform der GmbH entschieden, in Kaiserslautern wird man sich sehr wahrscheinlich für die Kommanditgesellschaft entscheiden. Andere Klubs erwägen eine genossenschaftliche Lösung. Das spricht alles für eine fruchtbare Auseinandersetzung. Die Bindung an sogenannte Mediengiganten ist dagegen doppelbödig. Die Probleme werden sich verschärft stellen, wenn die Wettbewerbskomission der EU die Zentralvermarktung durch den DFB untersagt. Und zwar Probleme, die uns bereits in der kommenden Saison der Kinowelt-Doktor Michael Kölmel bereiten kann. Dann kann es nämlich sein, daß RW Essen und Alemannia Aachen in der gleichen Liga spielen. Beide sind inzwischen, wie Dynamo Dresden, Waldhof Mannheim und Union Berlin Kinowelt-Clubs. Das Szenario läßt sich spielend ausdehnen: In zwei Jahren spielen Mannheim und Aachen in der 2. Liga. Man sieht sich ja immer zweimal. Dabei könnten interessante Konstellationen um Auf- oder Abstieg eintreten.
Welche Rolle spielen die Zuschauereinnahmen heute noch?
Der Fan wird heute als Kunde betrachtet. Der Stadionbesuch, das Bier und die Bratwurst sind ein Teil des Repertoires. Aber ein unverändert wichtiger Teil! Die Besucher garantieren im Schnitt 30 Prozent des Vereinsetats. Und sie sind der Garant für Live-Atmosphäre. Der postmoderne Fußballkonsument wird eher zu Hause bleiben und seinen Bezahlfernseher mit kleinen Scheinen füttern. Aber keine Bange! Wer auf dem Stehplatz zu Hause ist weiß sowieso, daß Sitzen für den Arsch ist. Das gilt für Stadion und Wohnzimmer.
Zum Abschluß die Frage nach der Situation bei Fortuna?
Ich habe Fortuna in dieser Saison leider noch nicht sehen können und bin auch zu weit weg, um mir ein umfassendes Urteil bilden zu können. Ich hoffe sehr, daß die Mannschaft die Klasse hält und Klaus Allofs die Zeit und das Vertrauen bekommt, langfristig zu arbeiten. Du kannst dauerhaft im Fußball nur Erfolg haben, wenn die Grundlagen für einen nachhaltige, kontinuierliche Arbeit vorhanden sind.
Wer ist die VdV - Vereinigung der Vertragsfußballer?
Die VdV wurde 1987 von Benno Möhlmann gegründet und ist Mitglied der europäischen Spielervereinigung F.I.F. Pro. Ziel der Vereinsgründung war, Spielerinteressen gegenüber DFB und Vereinen zu vertreten.
Einige Ziele wurde bereits erreicht, wie beispielsweise die Klärung der Lohnfortzahlung bei einer Verletzung oder die Ablösefreiheit nach Vertragende (durch Unterstützung von Bosman).
Die VdV hat 900 Mitglieder aus den verschiedenen Ligen. Allein 70 Prozent der Bundesligaspieler sind VdV-Mitglied. Die Beiträge staffeln sich von 120 bis 960 Mark, je nach Einkommen. Jugendliche sind beitragsfrei.
Etwa alle zwei Monate erscheint das VdV-Magazin „Wir Profis“.
(Der Artikel erschien im Fortuna Fanzine Come Back Nummer 28, Frühjahr 1999)

Druckbare Version  Die 1.BAFF-Grundsatzerklärung “Wir holen uns das Spiel zurück”, Bericht der Arbe