03.09.: BAFF zur WM 2006
4 Wochen WM 2006 - ein Leben lang sitzen?
Fußballgroßveranstaltungen (EM+WM) sollen nach Aussage der jeweiligen Veranstalter ein Fußballfest, besonders von Jugendlichen sein. Die WM in Frankreich sowie die EM 2000 lassen nichts von alledem erkennen. Machen wir uns nichts vor, auch bei zukünftigen Fußballgroßveranstaltungen wird der gemeine Fan draußen vor den Toren stehen. Zudem sorgen undifferenzierte und überhöhte Sicherheitsmassnahmen, die schon im Vorfeld jeden Zuschauer zu einem potentiellen Gewalttäter abstempeln, für Aggression und Frust.
BAFF registriert in der Fanszene eine Stimmung, dass Fußballfans nicht bereit sind, eine WM 2006 unter den oben genannten Voraussetzungen zu unterstützen. Insbesondere der Verlust von Stehplätzen in den Stadien tötet gewachsene Fan-Kultur. Die Stehplätze sind die Seele des Fußballs, ohne sie bleibt es ein Kick von 22 Kurzbehosten im Park. Wir, die Fans, machen den Fußball erst zum Ereignis. Er darf nicht zum Vehikel von Funktionären, Pay-TV, Werbestrategen und nicht zuletzt von Medien und raffgierigen Geldschefflern verkommen.
WM in Frankreich – aus Fansicht mehr als unerfreulich
Die Weltmeisterschaft 1998 in Frankreich, als letztes Beispiel einer WM in einem vergleichbaren europäischen Umfeld, war aus der Sicht der Fans eine mehr als unerfreuliche Veranstaltung. Damit haben sich Prognosen von BAFF bestätigt. Folgende Kritikpunkte sind festzuhalten: Zu keinem Zeitpunkt schien den Organisatoren daran gelegen, dass sich auch jüngere und nicht so gut verdienende Menschen eingeladen fühlen konnten, am "Fest des Fußballs" teilzunehmen. Es gab keinerlei Anstrengungen der Kommunen, z.B. billige Unterkünfte zur Verfügung zu stellen, geschweige denn einen Campingplatz für Fußballfans auszuweisen. Es gab keine fanspezifischen Informationen - schon gar nicht in der jeweiligen Landessprache - ganz im Gegenteil wurde man fast immer an die Touristeninformationen verwiesen, die mit diesen Anfragen seltenst zurechtkamen. Es gab so gut wie keine Veranstaltungen für junge Leute und noch nicht mal genügend Großbildleinwände, auf denen Fans ohne Karten wenigstens die Spiele gemeinschaftlich hätten sehen können. Der Turniermodus an sich war schon fanfeindlich. Was sich Michel Platini als zuschauerfreundliche Version und Begegnung der Jugend der Welt am Schreibtisch ausgedacht hat, war letztlich genau das Gegenteil. Auf die unzulängliche Kartenvergabepraxis muss hier nicht näher eingegangen werden. Jeder weiß: sie war ein Skandal. Es interessierte niemanden unter den Verantwortlichen, ob hinreichend Fans in den Besitz der Karten kommen, die Hauptsache war doch, VIPs, Sponsoren, Funktionäre und ihre zahlreichen Begleiter wurden bedient. Eine Provokation für alle Fußballfreunde stellte die überproportionale Verteilung von Eintrittskarten an Sponsoren dar. Wenn Fußballfans auf dem Schwarzmarkt mit Preisen im vierstelligen DM-Bereich nach den schon aufgebrachten Fahrtkosten konfrontiert und im gleichen Atemzug Karawanen von Sponsorengruppen an den frustrierten Fans vorbei in die Stadien geführt werden, zeigt dies mehr als deutlich, wo die bevorzugten Zuschauergruppen zu suchen sind. Die Inszenierung der Spiele in und um die Stadien war ein Graus und den Zuschauern gegenüber, die in früheren Zeiten die Inszenierung der Spiele mit ihren Gesängen und Anfeuerungsrufen gestaltet haben, absolut respektlos. Man fühlte sich in keinster Weise ernst genommen, sondern verarscht. Das Auftreten all dieser Mängel erscheint noch unverständlicher, bedenkt man die vielen guten Ansätze, die bei der Europameisterschaft 1996 in England verwirklicht wurden.
WM in Deutschland – es muss viel passieren!
Wir wissen, dass vieles geht, man muss es nur wollen. Daher fordern wir im Hinblick auf die WM 2006 in Deutschland:
- Die Stadion-Um- und Neubauten dürfen nicht auf Kosten der Stehplätze nach dieser Großveranstaltung gehen. 4 Wochen WM - ein Leben lang sitzen - nein, danke! Dazu ist es notwendig, nach der WM wieder Sitzplatzbereiche in Stehplätze rurückzubauen. Es darf nach der WM nicht noch weniger Stehplätze geben als es schon jetzt der Fall ist.
- In die Inszenierung (Regie) der Spiele sollten Fans eingebunden sein, die sensibel auf die Atmosphäre in den Stadien reagieren können. Auch im Liga-Alltag eine wichtige Forderung, das Stadionradio soll die Fans nicht Totdröhnen und nur passive Konsumenten formen, sondern den aktiven Mitgestaltungswillen der Fans achten.
- Fans und Fanorganisationen, wie BAFF oder Pro Fans bzw. die Fanprojekte müssen in die Organisation der WM eingebunden sein. Wer, wenn nicht die Fans, wissen was zu tun ist, damit wir uns im Stadion und drumherum wohlfühlen. Wir wollen als Gäste empfangen und behandelt werden, und nicht als potentielles Sicherheitsrisiko. Auch sollten in den WM Städten vor Ort die Fangremien in die Planungen mit einbezogen werden. Dazu zählen die Fanprojekte, Faninitiaven oder auch die örtlichen Fanclubs. Diese könnten z.B. Fanturniere, Begegnungen usw. mit den internationalen Gästen initiieren.
- Wir erwarten vom Organisationskomitee und den Sicherheitsbehörden ein differenziertes und abgestuftes Vorgehen. Sicherheitsaspekte sind wichtig, dürfen jedoch nicht an erster Stelle stehen. Schon jetzt wird aus der Fanszene eine zunehmende Repression beklagt. Es muss auch gerade bei einer WM im Fußballland Deutschland möglich sein, lebendige Fankultur im Stadion auszuleben.
- Die Eintrittskartenvergabepraxis muss gründlichst überdacht werden. Es muss für alle, die unabhängig von Reiseveranstaltern zur WM wollen, die Möglichkeit geben, Karten zum aufgedruckten Preis zu kaufen. Auch sollen Fußballfans aus den Austragungsregionen die Möglichkeit erhalten, an Karten für "Ihr" Stadion zu gelangen. Die Kartenpreise müssen sozial verträglich gestaltet sein. Die Anzahl der Karten pro Verband sollte sich u.a. auch an der Zahl der Fans orientieren, die die jeweilige Nationalmannschaft voraussichtlich unterstützen werden. Die Zahl der Karten für die Sponsoren muss drastisch reduziert werden. Eigentlich gibt es keinen Grund, warum die ihre Karten nicht selbst bezahlen können.
- Auf jeden Fall sollte es für diejenigen, die nicht in die Stadien können, kostenfreie Großbildleinwände in den jeweiligen Spielorten geben, auf denen das Spiel verfolgt werden kann.
- In jeder Stadt sollte es eine "Fanbotschaft" geben, wo fanspezifische Informationen auch in der jeweiligen Landessprache angeboten werden. Bezahlbare Unterkünfte und/oder ein zentraler Campingplatz für Fußballfans im oder am jeweiligen Veranstaltungsort - gut ausgeschildert und leicht erreichbar. In das Rahmenprogramm gehören Veranstaltungen, die sich an den Bedürfnissen von jungen Menschen orientieren, z.B. Rockkonzerte, Discos, Kontaktmöglichkeiten etc.
- Der Turniermodus sollte es erlauben, längere Zeit an einem Ort verbleiben zu können. Das hätte zwei Vorteile: Erstens müsste man nicht so viel von den jeweiligen Ländern aus organisieren und zweitens wäre es so viel einfacher, mit Einheimischen in Kontakt zu kommen und auch das Land besser kennen zu lernen.