02.01.2005: Spiegel-Online/WM
SPIEGEL ONLINE - 02. Februar 2005, 10:09
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Fußball-WM 2006
Ticketverkauf nach Polizeivorgabe
Datenschützer geißeln das Bestellverfahren für die WM 2006 als dreiste
Schnüffelei. Ticketkäufer müssen unter anderem Geburtsdatum und
Ausweis-Nummer preisgeben. Die WM-Organisatoren erklärten, die
ausführliche Datensammlung geschehe auf Betreiben der Sicherheitsbehörden
und solle einen Ticket-Schwarzhandel verhindern.
Kaum hatte das Organisationskomitee das Prozedere des Kartenverkaufs für
die Fußball-WM 2006 bekannt gegeben, da hagelte es auch schon teils
heftige Proteste von Datenschützern. Thilo Weichert, Schleswig-Holsteins
oberster Wächter der Privatsphäre, sagte: "Für den DFB steht
offensichtlich nicht der Genuss am Fußball im Vordergrund, sondern die
Vermarktung der Fans als Ware."
Bei der Kartenbestellung müssen Fußballfans nicht nur Name und Anschrift,
sondern auch ihr Geburtsdatum, ihre Personalausweis- oder Passnummer
angeben. Wer für Freunde Karten mitbestellt, ist gezwungen, auch deren
Personendaten inklusive Geburtsdatum und Ausweisnummer einzutippen oder
auf dem Bestellformular zu vermerken. Die Karten können sowohl online
unter www.fifaworldcup.com als auch per Fax oder Post geordert werden.
Jörg Höfer, Sprecher vom Bündnis Aktiver Fußball-Fans (BAFF), meinte:
"Wenn Fußballfans nur die Wahl haben, teilweise sehr persönliche Daten
preiszugeben, ohne zu wissen, wer darauf Zugriff hat, oder eben keine
Tickets zu bekommen, wird die Verhältnismäßigkeit der Mittel nicht gewahrt
und das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung verletzt."
Premiere für Funkchips in Tickets
Kritik üben Datenschützer außerdem an den RFID-Funkchips, die in die
Eintrittskarten integriert werden sollen, um Fälschungen sowie den
Schwarzhandel zu erschweren. Auf den Chips ist eine Nummer gespeichert,
die über die Fifa-Datenbank mit den Daten der Käufer verknüpft ist. Damit
ist jede Karte eindeutig einer Person zuzuordnen. Die Funkchips können von
Sensoren aus geringem Abstand ausgelesen werden.
Rena Tangens vom Bielefelder Verein Foebud vermutet: "Die
Weltmeisterschaft wird von Sponsoren und Überwachungsindustrie
missbraucht, um Schnüffeltechnik einzuführen und die Fans
auszuspionieren." Matthias Mehldau vom Chaos Computer Club sagte: "Die
veranstaltungstreuen Fussballfans werden zu den ersten gehören, die sich
der Datensammeltollwut von Großunternehmen in Verbindung mit
Schnüffelchips beugen müssen."
Beim WM-Organisationskomittee (OK) kann man die Bedenken der Datenschützer
nicht nachvollziehen. "Alle Details zum Ticketverkauf wurden mit den
zuständigen Behörden abgesprochen", sagte OK-Sprecher Jens Grittner
SPIEGEL ONLINE. Die für die WM verantwortliche
Datenschutzaufsichtsbehörde, das Regierungspräsidium Darmstadt, habe
keinerlei Bedenken gegen das Bestellverfahren geäußert.
"Sie wollen doch auch eine sichere WM"
Die Abfrage des Geburtsdatums begründet Grittner so: "Es gibt Wohnblocks,
in denen fünf Franz Meier wohnen." Nur anhand des Geburtsdatums seien
Mehrfachbestellungen sicher zu erkennen. Jede Person darf nur eine
begrenzte Zahl von Tickets ordern. Die Karten werden dann per Los
zugeteilt, weil die Zahl der Bestellungen die der verfügbaren Karten
wahrscheinlich weit übersteigen wird.
Schleswig-Holsteins Datenschützer Weichert sagte, es sei überhaupt nicht
zu erkennen, weshalb das genaue Geburtsdatum angegeben werden müsse. Er
vermutet andere Absichten dahinter als mögliche Doppelbestellungen:
"Dieses Datum ist für die Werbebranche von großem Wert, weil hierüber
Datenbanken miteinander verknüpft werden können. Für die Kartenbestellung
ist es überflüssig. Hier würde die Feststellung der vollen
Geschäftsfähigkeit, also die Angabe 'älter als 18 Jahre' ausreichen."
Sämtliche Personendaten, darunter auch das angeblich nur zum Erkennen von
Mehrfachbestellungen erforderliche Geburtsdatum, leitet der DFB an die
WM-Sponsoren und die Fifa zu Werbezwecken weiter, wenn der Besteller damit
einverstanden ist. Ausgenommen von der Weiterleitung sind lediglich die
Bank- und Kreditkarteninformationen sowie die Ausweis- oder Passnummer.
Die Abfrage von Personalausweis- oder Passnummer geschehe auf Betreiben
der Sicherheitsbehörden, erklärte OK-Sprecher Grittner auf Anfrage von
SPIEGEL ONLINE. "Sie wollen doch auch eine sichere WM", entgegnete er auf
die Frage, wozu das OK denn die Ausweisdaten benötige. Das
Bundesinnenministerium wurde von SPIEGEL ONLINE am Dienstagnachmittag um
eine Stellungnahme gebeten, äußerte sich dazu jedoch bisher nicht.
Weichert hält die Angabe der Personalausweis- oder Passnummer mit genauen
Angaben zur Nationalität, zur ausstellenden Behörde und zum
Ausstellungsdatum für nicht erforderlich. Für Zwecke der Polizei mache die
Nummer keinen rechten Sinn. "Bisher ist nicht bekannt, dass geplant ist,
dass die Daten sämtlicher Ticketbewerber präventiv an die Polizei
übermittelt werden, um an Hand dieser Datenbestände Hooligans
herausfiltern." Ein solches Vorgehen ist nach Weicherts Meinung ohnehin
nicht zulässig, weil es gegen das Personalausweisgesetz verstoßen würde.
Der Bundesbeauftragte für Datenschutz sieht das Vergabeverfahren für die
WM-Tickets weniger kritisch und hält es für "nicht rechtswidrig", wie sein
Sprecher Peter Büttgen sagte. "Die Regelungen sind aber auch nicht
Datenschutz-freundlich."
"Sehr problematisch ist konkret vor allem die bei der Ticket-Bestellung im
Internet erforderliche Angabe der ganzen Personalausweis-Nummer",
erläuterte Büttgen. Diese Ziffern sollen dann auch - zur Eindämmung von
möglichen Schwarzmarktverkäufen - auf die Tickets aufgedruckt werden.
"Hier würden auch die letzten vier Ziffern genügen, um die Identität des
Karteninhabers zu klären", sagte Büttgen. Hier erfolge eine "Mehrerhebung"
von Daten. Da die Tickets noch nicht gedruckt seien, könnten die
Organisatoren ihre Planungen ändern und nicht die ganze Nummer aufdrucken.
Beeinträchtigungen beim Datenschutz könnten aber wegen des besonderen
Großereignisses einer Fußball-WM "hingenommen" oder "akzeptiert" werden,
sagte Büttgen. Da müssten aus mehreren Gründen Zugeständnisse gemacht
werden. Dazu zählten die Trennung von Hooligans, Terrorgefahren und die
Schwarzmarktproblematik.
Holger Dambeck