01.02.2005: Süddeutsche Zeitung/WM-Schwarzmarkt
Viele Hochzeiten drohen
Weitergabe von WM-Karten soll praktisch nicht möglich sein
Fußballfans müssen sich sehr genau überlegen, ob sie sich für
Eintrittskarten der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland bewerben.
Denn sollte Wirklichkeit werden, was das Organisationskomitee (OK) derzeit
erklärt, haben die Inhaber der Tickets vergleichsweise wenig Rechte, aber
viele Pflichten. Nicht nur, dass man zu jeder Person, die ins Stadion gehen
will, persönliche Angaben machen muss. Auch die Weitergabe der Karten an
eine andere Person, Rückgabe oder Umtausch sollen praktisch unmöglich sein.
Die Karten sind ¸¸prinzipiell nicht übertragbar", heißt es. Nur in
¸¸schwerwiegenden Fällen, wie etwa dem Tod eines Angehörigen, einer Hochzeit
oder bei schwerer, mit ärztlichem Attest dokumentierter Erkrankung" stimme
das OK zu, sagt Sprecher Jens Grittner. Einiges spricht allerdings dafür,
dass das OK diese Ankündigung noch widerruft. Möglicherweise dient sie zu
Beginn der ersten Verkaufsphase am heutigen Dienstag vor allem zur
Abschreckung des organisierten Schwarzmarkt-Handels.
Das OK möchte den Schwarzmarkt wenn möglich gänzlich eindämmen. Derzeit
werden bis zu 30 Millionen Kartenwünsche erwartet - bei nur etwa 1,1
Millionen Tickets, die in den öffentlichen Verkauf gehen sollen, deutet sich
für illegale Händler ein großes Geschäft an. Der Kampf gegen den
Schwarzmarkt hat am heutigen Dienstag um 0 Uhr begonnen, bis 31. März werden
zunächst 812 000 Karten vergeben. Und das OK glaubt sich gerüstet: Erstens
durch die Personalisierung der Karten mit Namen, Adressen, Angaben zum
Personalausweis etcetera. Stichproben sollen dann sicherstellen, dass die
registrierten Käufer auch im Stadion sitzen. Zweitens kann sich jede Person
nur für maximal sieben Spiele bewerben. Wer in den Listen öfter auftaucht,
läuft Gefahr, vom OK gesperrt zu werden. Und drittens: ¸¸Wir werden gegen
den Schwarzmarkt sämtliche juristische Möglichkeiten ausschöpfen", sagt
Grittner. Die Rechtsabteilung des Deutschen Fußball Bunds (DFB) beschäftige
sich damit, ¸¸über mögliche Ergebnisse möchten wir aber noch nicht
sprechen". Klar ist, dass das OK etwa mit der Internetauktion Ebay sprechen
will, damit dort keine Tickets versteigert werden. All dies wäre indes
unnötig, falls der Umtausch von Karten nur in den genannten Fällen möglich
ist.
Rechtliche Bedenken
Verbraucherschützer zweifeln ohnehin, ob das Vorgehen des OK rechtlich
haltbar ist. Denn in den Allgemeinen Ticket-Geschäftsbedingungen (AGB) hat
das OK die Richtlinien für den Umtausch wesentlich sanfter formuliert. Zwar
sei niemand berechtigt, ein Ticket ¸¸ohne vorherige Zustimmung des OK an
dritte Personen zu übertragen". Doch: ¸¸Das OK wird seine Zustimmung nur aus
sachlichen Gründen verweigern." Etwa, wenn die Karten an einen bekannten
Hooligan gehen sollen. Patrick von Braunmühl von der Verbraucherzentrale
Bundesverband (VZBV) sagt: ¸¸Hier steht in etwa, dass das OK selbst nur in
schwerwiegenden Fällen die Weitergabe verweigert. Doch jetzt will das OK den
Spieß einfach umdrehen." Er sieht umtauschwillige Karteninhaber deshalb in
einer rechtlich guten Position. Soll heißen, das OK kündigt Regeln an, die
es im Ernstfall nicht halten kann, weil sonst Niederlagen vor Gericht
drohen.
Nach Ansicht der Verbraucherschützer ¸¸muss es im Falle persönlicher
Verhinderung bis unmittelbar vor Spielbeginn möglich sein, das Ticket auf
eine Ersatzperson zu übertragen". Sie regen eine Warteliste an, in der jeder
Kartenbesitzer mögliche Ersatzpersonen nennen könne. Technisch wäre der
Umtausch trotz der neu integrierten Chip-Technik auch noch vor einem Spiel
am Stadion möglich.
Fans hoffen auf Tauschbörse
Andere glauben, das OK wird in den Wochen vor dem WM-Turnier dem
öffentlichen Druck von tauschwilligen Karteninhabern aus aller Welt
nachgeben und eine offizielle Tauschbörse für Tickets einführen. Bis auf die
Termine der deutschen Vorrundenspiele steht ja noch gar nicht fest, welche
Länder im kommenden Jahr überhaupt dabei sind. ¸¸Man muss die Karten zum
normalen Preis auch wieder loswerden können, ohne gleich kriminalisiert zu
werden", sagt zum Beispiel Johannes Stender, Sprecher der deutschlandweiten
Fan-Initiative BAFF. Sonst prophezeihe er im Sommer 2006 viele Hochzeiten
und Todesfälle. ¸¸Wenn man kurzfristig nicht mehr kann oder einer aus der
Gruppe abspringt, was soll man denn sonst machen?", fragt er. Dabei erinnert
er sich an die Europameisterschaft in Portugal, als extra ein neues Gesetz
gegen den Schwarzmarkthandel erlassen wurde, und dann Zuschauer, die aus
nachvollziehbaren Gründen ihre Karte zum Normalpreis noch loswerden wollten,
den Abend im Gefängnis statt im Stadion verbrachten. OK-Sprecher Grittner
sagt dazu: ¸¸Alle Welt schreit nach Tickets, und schon jetzt wollen sie alle
wieder umtauschen." Er gehe nicht davon aus, dass die Karten getauscht
werden können.
Doch nicht nur in der Frage der Weitergabe von Tickets droht dem OK
Ungemach. In zwei weiteren Punkten der Geschäftsbedingungen kündigt der
Verband der Verbraucherschützer sogar eine Unterlassungsklage an. Zum einen
soll der Käufer ¸¸unwiderruflich und für alle gegenwärtigen und zukünftigen
Medien in die unentgeltliche Verwendung seines Bildes und seiner Stimme"
während der WM-Spiele einstimmen. Außerdem müsste bei Spielverlegungen der
Karteninhaber nachweisen, dass für ihn der Besuch zu dem neuen Termin oder
dem neuen Ort ¸¸nicht zumutbar" ist. Beides verstößt nach Ansicht des VZBV
gegen deutsches Recht. Grittner widerspricht: ¸¸Wir verwehren uns gegen
diese Vorwürfe und werden auch dagegen vorgehen." Denn das OK habe die AGB
mit dem Verbraucherministerium abgestimmt. Thomas Hummel
Quelle: Süddeutsche Zeitung
Nr.25, Dienstag, den 01. Februar 2005 , Seite 35