RFID-Chips bei der WM
WM2006: Fußballfans gegen RFID-Tickets und Fragebögen
Twister (Bettina Winsemann) 21.12.2004
Beim jährlichen Kongress der Aktiven Fans stand das Thema Datenschutz
bei der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 im Vordergrund
Wenn es um Datenschutz geht, so treffen sich meist die "üblichen
Verdächtigen", wie beim CCC-Kongress [1]. Am 18.12.2004 war dies
anders: In Oer-Erkenschwick hatte das Bündnis Aktiver Fußballfans [2]
Datenschutz, Überwachung und die WM2006 auf die Agenda des jährlichen
Fankongresses gesetzt [3].
Neben der Datei Gewalttäter Sport, die vor allen Dingen von der
Vertreterin der Datenschutzbeauftragten Nordrhein-Westfalens
thematisiert wurde, ging es um die Anwendung von RFID-Technik und um
die datenschutzrechtlich bedenkliche Weitergabe persönlicher Daten der
Ticketkäufer.
"Mit der zukunftsweisenden [RFID-] Technologie wird es möglich, Tickets
per Handy oder PC zu erwerben, Versandkosten zu sparen,
Ticketfälschungen besser auszuschließen und die Sicherheit im Stadion
zu erhöhen", heißt [4] es von Seiten des Wirtschaftsministers Clement.
Diese Argumente stießen bei den eingeladenen RFID-Experten des FoeBuD
[5], Claudia Fischer und padeluun, auf wenig Gegenliebe. "RFID geben
keine Sicherheit", war das Fazit padeluuns, der sich auf dem Kongress
kämpferisch gab. "Kein Schnüffelchip verhindert Gerangel, Schlägereien
oder Wutausbrüche."
Noch dazu fehlt in der Sicherheitsargumentation ein wichtiges Glied in
der Kette: Die Tickets werden zwar personalisiert, jedoch erfolgt beim
Betreten des Stadions keine Identifikation des Ticketinhabers (die
dadurch ermöglichte Zeitersparnis ist auch ein Argument für die
RFID-Chips). Somit ist keineswegs gewährleistet, dass es sich beim
Ticket"besitzer" auch um den Ticket"eigentümer" handelt. Wie soll so
also verhindert werden, dass sich ein "Fussball-Rowdy" mit einem
legitim gekauften Ticket ins Stadion begibt, wenn nicht jeder Besucher
noch einmal durch Vorlage von Personalausweis oder Reisepass seine
Identität nachweist? Wenn andererseits eine solche Identifikation
stattfindet, wozu dann noch der RFID-Chip im Ticket? Folgt man dieser
Argumentation, so muss man sich zwangsläufig der Ansicht [6] des
früheren Datenschutzbeauftragten Schleswig Holsteins, Helmut Bäumler,
anschließen:
--Welche Person ist im Stadion, das will man fest stellen können. Und
so sehr ich Verständnis dafür habe, dass man Fussball-Rowdies
rechtzeitig abwehren und erkennen möchte: Hier sieht man ganz genau,
wohin diese Technik führt, nämlich zur Überwachung von Menschen.--
Bewegungsprofile können, mit entsprechend aufgebauten Lesegeräten,
erstellt werden und liefern wichtige Erkenntnisse (nicht nur) für die
Industrie. Dass sich bei den Sponsoren der WM2006 [7] unter anderem
auch Philipps und Gilette, zwei der großen Befürworter bzw. Hersteller
der RFID-Chips, wiederfinden, ist somit wenig überraschend für den
Foebud.
Für den Verein, der die Entwicklung von RFID-Techniken kritisch
beobachtet und bewertet [8] ist die WM2006 auch ein Paradebeispiel
dafür, wie sich eine "vermeintliche Freiwilligkeit" in Bezug auf
Datensparsamkeit und Datenschutz manifestiert. Wer nicht bereit ist,
den "Datenschutzgau" mit zu unterstützen, muss eben auf die WM2006
verzichten - eine Alternative wird nicht angeboten. Dies zeigt sich
schon bei den Fragebögen, die ausgefüllt werden müssen um ein Ticket zu
erhalten.
Keine Daten - kein Ticket
Ist schon der Einsatz von RFID-Technik ein Dorn im Auge der
Datenschutz-Aktivisten, so gilt die nächste, größere Sorge dem
Fragebogen beim Ticketkauf. Die dort verlangten Daten gehen über das,
was für einen Ticketkauf notwendig ist, nicht nur hinaus, sie werden -
so ist es geplant - weiterhin auch an die Fifa [9] und die Sponsoren
der WM2006 weitergegeben. Somit finden sie auch ihren Weg in
Drittländer, deren Datenschutzgesetze nur als unzureichend angesehen
werden können.
Eine Widerspruchsmöglichkeit gegen die Datenweitergabe besteht zur Zeit
nicht, ggf. soll diese im Februar 2005, wenn der Ticketverkauf beginnt,
"nachgereicht" werden (zu diesem Zeitpunkt wird auch erstmals der
Fragebogen offiziell bekannt gegeben). Dies, so padeluun weiter, dürfte
dann die Mehrheit der Fußballfans nicht mehr erreichen, zumal die für
die Fans bereitstehenden Kartenkontingente begrenzt sind. Eine Praxis,
die ebenfalls von den Aktiven Fans kritisiert [10] wurde.
Schon jetzt wurden die fehlenden Datenschutzbestimmungen mehr als
unzureichend thematisiert, während andererseits die Sonderregelungen
für Abgeordnete beim Ticketkauf [11] (und anschließende Dementies) wie
auch die Nachricht [12], dass es doch deutsches Bier bei der WM2006
geben wird ihren Weg in zahlreiche Medien fanden.
Der Fan als begeisterter Werbeträger
Die Fußballfans vor vollendete Tatsachen zu stellen, birgt noch eine
weitere Gefahr, so die FoeBuD-Aktivisten. Denn wenn sich kein
nennenswerter Widerstand gegen die RFID-Technik und die unkontrollierte
Datensammlung und -weitergabe entwickelt, laufen die Fußballfans
Gefahr, unfreiwillig zum Werbeträger für RFID zu werden.
--Wenn sich jetzt niemand wehrt, so wird es heißen: Bei der WM2006
wurde die RFID-Technik von den Fans ohne jegliche Kritik angenommen.--
Foebud
Während es für einen am Datenschutz interessierten Käufer etwa von
Rasierklingen durchaus möglich ist, auf Produkte auszuweichen, die
nicht mit RFID-Chips ausgestattet sind, ist dies bei der WM2006 nicht
der Fall. Hier ist die einzige Alternative der komplette Verzicht auf
ein Ticket. Eine, um es mit drastischen Worten zu sagen, "Friss oder
stirb"-Methode.
Aktion kontra Resignation
Wie bei vielen anderen Gelegenheiten zeigte sich auch bei dem
Fankongress die Resignation der Betroffenen. "Wenn ich ein Ticket haben
will, muss ich eben die Daten liefern." Eine Einschätzung, der sich die
Aktivisten des FoeBuD nicht anschließen mochten.
Wie Claudia Fischer betonte, zeigte doch das Engagement beim Thema RFID
im Fall der Metro [13] beispielsweise schon Wirkung [14]. Das sei ein
Beweis dafür, dass Resignation oftmals unbegründet ist. Padeluun
schrieb den Aktiven Fans denn auch eine Hausaufgabe ins Stammbuch: Am
2. Februar sollte die Schlagzeile nicht heißen: "Millionen Menschen
beantragen Tickets", sondern "Fans wehren sich gegen Überwachung."
Überwachungsstrukturen - Investition für die Zukunft
Überwachung ist in diesem Fall durchaus unabhängig von der WM2006 zu
sehen, denn wie auch schon bei der Olympiade in Griechenland sind die
Strukturen, die sich bei der WM2006 hinsichtlich RFID herausbilden,
nicht etwa vorübergehend. Vielmehr sollen sie, so bei der WM2006
"erfolgreich", auch weiterhin eingesetzt werden.
Dass das Thema Datenschutz in Bezug auf die Sicherheit der WM2006 klein
geschrieben wird, ist spätestens dann wenig verwunderlich, wenn man
sich die Aufgabenverteilung hinsichtlich der WM2006 einmal ansieht. Die
koordinierende Stelle für die WM2006 bei der Bundesregierung ist das
Innenministerium. Datenschutz fällt jedoch in den Bereich "Ticketing",
der vom Organisationskomitee übernommen wird. Das Innenministerium
wirkt über den Innenminister Otto Schily auf das Organisationskomitee
ein. In dessen Aufsichtsrat sitzt beispielsweise Otto Schily. So sind
denn Sicherheit und Datenschutz fest in (s)einer Hand. "Ob Datenschutz
also bei der WM2006 überhaupt eine Rolle spielen wird, liegt nun an den
Fans." stellte Claudia Fischer abschließend fest.
LINKS
[1] http://www.ccc.de/congress/2004/
[2] http://www.aktive-fans.de/
[3]
http://www.aktive-fans.de/01a9d793eb0015e01/01a9d793f50e11d92/50146095a6002cf0c/index.html
[4]
http://www.aktive-fans.de/01a9d793eb0025619/502764947d0eb9e07/50276494e51086c01.html
[5]http://www.FoeBuD.org
[6]
http://stoprfid.FoeBuD.org/htm/wo.html#Datenschutzbeauftragter%20Schleswig%20Holstein
[7]http://fifaworldcup.yahoo.com/06/de/partners.html
[8]http://stoprfid.FoeBuD.org/
[9]http://www.fifa.org
[10]
http://www.aktive-fans.de/01a9d793eb0025619/502764947d0eb9e07/50146095a60063411.html
[11] http://www.fr-aktuell.de/ressorts/sport/sport/?cnt=607426
[12] http://www.netzeitung.de/sport/wm2006/318118.html
[13] http://www.FoeBuD.org/rfid/metroskandal/de
[14] http://stoprfid.FoeBuD.org/htm/geschah.html
Telepolis Artikel-URL:
http://www.telepolis.de/r4/artikel/19/19075/1.html
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