Tatort-Stadion: Wenn das Spiel zu weit geht
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Tatort Stadion: Wenn das Spiel zu weit geht
Dresden. "Welches Spiel wird in Stadien eigentlich gespielt?", mit dieser Frage sprach Prof. Dr. Ralf Evers, Rektor der Evangelischen Hochschule für Soziale Arbeit Dresden (FH) das aus, was sich auf Grund der gewaltsamen Ausschreitungen bei Fußballspielen sicherlich schon so mancher Fan einmal gefragt hat.
Zusammen mit Oberbürgermeister Ingolf Roßberg (FDP), der Vorsitzenden der Sportjugend Dresden Anja Stephan und Martin Mendemann vom Bündnis aktiver Fußballfans eröffnete er gestern Mittag die in seinem Hause gastierende Austellung "Tatort Stadion - Rassismus und Diskriminierung im Fußball". Erstmalig wurde sie vor drei Jahren in Berlin präsentiert, seitdem sahen sich 35000 Besucher die Ausstellung an. Sie wende sich zwar in ersten Linie an Fußballfans, aber auch an die Vereine. Mendemann bedauert:" Zu selten beziehen Spieler und Vereine eindeutig Stellung, obwohl sie einen großen Teil der Verantwortung tragen."
Vor allem die gewaltsamen Ausschreitungen beim Stadtderby zwischen dem Dresdner SC und dem 1. FC Dynamo im September vor zwei Jahren veranlassten die Sportjugend das Projekt "PROFans in Dresden" zu starten. Unter der Schirmherrschaft von Roßberg holten sie die Ausstellung in die Landeshauptstadt. Roßberg betont: "Dresden kann sich Ausschreitungen bei Fußballspielen einfach nicht leisten. Sportveranstaltungen sollten Festveranstaltungen sein und nicht Krawallveranstaltungen. Ich bin mir sicher, die meisten Bürger sehen das genauso." Zusammen gegen die Gewalterscheinungen zu wirken und klar Position zu beziehen, sei deswegen wichtig.
Dabei geht es in der Schau nicht nur um die Krawalle. Der Rassismus hat in den letzten Jahren subtilere Darstellungsformen, wie etwa über eine spezielle Zeichenkultur oder T-Shirts gefunden. Das sticht nicht jedem sofort ins Auge und wird daher häufig unkommentiert "geduldet". So sind in den Ausstellungsräumen neben verschiedenen Bild- und Texttafeln auch zahlreiche Utensilien aus der Fanszene zu entdecken. Unterstützt durch Ton- und Filmmaterialien werden rassistische, sexistische, antisemitische und schwulenfeindliche Diskriminierungen in Stadien dokumentiert.
Einen besonderen Schwerpunkt stellt aber auch die Präsentation der Gegenbewegungen dar. Zahlreiche Projekte, Vereine und Initiativen finden in der Wanderausstellung nicht nur Erwähnung, sondern weisen mit ihrem dargestellten Werdegang mögliche Ansatzpunkte zum Umgang mit dem Thema Gewalt im Fußball auf. Doch nicht nur Gewalt an sich sei zu thematisieren, betonte Evers, auch die Zunahme der Milieus, welche diese akzeptieren dürften nicht vergessen werden. "Häufig sind es nur relativ kleine Gruppierungen, die einen diskriminierenden Sprechgesang beginnen. Andere Fans steigen dann ein, ohne sich richtig damit auseinanderzusetzten", weiß Mendemann. Gerade das zeige, wie wichtig es sei, aufzuklären und die Vorfälle öffentlich zu diskutieren. Sicherlich erfordert es eine Menge Mut, einer grö-lenden Übermacht aufzuzeigen, dass sie unerwünscht ist. Doch wenn dies Fans öfter täten, würden sie sehen, daß die Krawallmacher und nicht sie in der Minderheit sind.
Anne Daebeler