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Interview zu WM-Tickets Junge Welt

 

»Der Fußballfan wird zum gläsernen Kunden«

Zuschauer der WM 2006 werden per Funk überwacht. Jedes Ticket hat einen
Microchip. Ein Gespräch mit Johannes Stender

* Johannes Stender ist Sprecher des Bündnisses aktiver Fußballfans (BAFF).





F: Radio Frequency Identification, kurz Rfid, heißt der neueste Schrei
der Überwachungstechnik, der bei der FIFA-Weltmeisterschaft 2006 in
Deutschlands Fußballstadien zum Einsatz kommen soll. Was ist das?

Es ist ein funkbasiertes elektronisches Zugangskontrollsystem. Dabei
sind winzige Computerchips in die Eintrittstickets eingelassen, auf die
persönliche Daten des Karteninhabers gespeichert werden. An den
Stadiontoren werden die Daten dann mit Lesegeräten abgerufen. Das System
soll angeblich die Sicherheit in den Stadien erhöhen und verhindern, daß
Hooligans, Terroristen oder Schwarzmarkthändler ihr Unwesen treiben.

F: Welche Daten sollen auf dem Chip gespeichert werden?

Bei Bestellung des Tickets muß der Käufer einen ausführlichen Fragebogen
ausfüllen. Neben Name, Adresse und Kontaktdaten werden auch die
Personalausweisnummer und die Konto- oder Kreditkartennummer
aufgenommen. Die Daten werden mit Datenbanken von Polizei und
Strafverfolgungsbehörden oder mit der Datenbank »Gewalttäter Sport«
abgeglichen, so daß bereits auffällig oder straffällig gewordene
Interessenten vom Kauf ausgeschlossen werden können.

F: Gewaltprävention ist doch eigentlich ein sinnvolles Anliegen.

Natürlich, allerdings braucht man dazu nicht unbedingt dieses System,
das eine Reihe zweifelhafter »Nebenwirkungen« entfaltet. Durch den
Aufbau von Lesegeräten im Umfeld des Stadions kann der Karteninhaber
unwissentlich und schutzlos überwacht werden. Es können Bewegungsprofile
erstellt und Erkenntnisse über die Person gewonnen werden, die vor allem
für die Industrie von Interesse sind. Schon bei der Europameisterschaft
in Portugal wurden Daten der Ticketbesitzer an die Sponsoren zu
Marktforschungszwecken weitergegeben.

F: Ist das nicht illegal, solange dies ohne Wissen des Käufers geschieht?

Offiziell besteht die Möglichkeit, die Zustimmung zu verweigern. Bei der
EM in Portugal mußte man einen schriftlichen Antrag stellen. Ähnlich
läuft es bei der Kartenbestellung für den im Juli in Deutschland
ausgetragenen Confederations Cup. Nur wenn man die gesamten
Geschäftsbedingungen auf den Internetseiten studiert, stößt man auf
einen entsprechenden Passus. Den Widerspruch muß man dann schriftlich
per Postkarte einreichen. Von dieser Möglichkeit machen natürlich nur
die allerwenigsten Gebrauch. Das wäre ganz anders, wenn man die
Weitergabe der persönlichen Daten an Dritte durch wenige Mausklicks
untersagen könnte. Die FIFA wird zudem viel mehr Daten erheben, als
tatsächlich Tickets verkauft werden. Bei erwarteten 30 Millionen
Bestellungen ergibt das eine riesige Datenmenge.

F: Die Leute werden zu Zwecken des Kommerzes also gezielt hinters Licht
geführt.

Nicht zufällig befinden sich unter den Sponsoren der WM mit Philipps und
Gilette zwei der lautesten Befürworter bzw. Hersteller der Rfid-Chips.
Die WM ist so etwas wie ein riesiger Testballon für eine noch lange
nicht ausgereifte und ausgereizte Technik, und die Fußballfans sind die
Versuchskaninchen. Mit den Tickets soll man auch Getränke, Essen und
Fanartikel einkaufen können. Aus den Daten lassen sich Kundenprofile
erstellen, der Fußballfan wird zum gläsernen Kunden.

F: Das Rfid-System wird bereits in den WM-Stadien installiert. Läßt sich
dessen Einsatz noch verhindern?

Der Einsatz nicht, aber Art und Umfang des Einsatzes. Noch ist nicht
klar, welche Daten die FIFA abfragen wird. Die Geschäftsbedingungen
werden erst am 1. Februar bekanntgegeben. Bislang hat das Thema
Datenschutz bei der WM in den Medien kaum eine Rolle gespielt. Daß das
anders wird, liegt auch an uns, den Fußballfans. Wir müssen Kräfte
bündeln und Gegenöffentlichkeit zu schaffen.

* Info: www.aktive-fans.de

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