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taz vom 27.12.2004

 

http://www.taz.de/pt/2004/12/27/a0193.nf/text
press-schlag
Käsebrötchen als Wurfgeschoss
Das kritische Fanbündnis Baff verleiht den "Goldenen Schlagstock" dem SC
Freiburg, weil dort besonders hart mit Fans umgesprungen werde
Freiburg: friedliches, grün regiertes Idyll mit solarbedachtem Fußballclub.
Ausgerechnet hierhin verleiht das Baff (Bündnis aktiver Fußballfans) den
"goldenen Schlagstock" für eine "willkürliche oder brutale Behandlung
friedlicher Fußballfans"? Der Klischeebruch ist kalkuliert, vielleicht ein
wenig zu offensichtlich. Baff-Sprecher Johannes Stender bestreitet dann auch
gar nicht, dass es bei der Preisverleihung um "das Aufzeigen von generellen
Missständen" ging. Dennoch sei die Ehrung alles andere als willkürlich.

Als Beleg zitiert Stender zwei Vorfälle aus diesem Jahr: Die Misshandlung
eines VfB-Stuttgart-Fans, dem ein Polizist zwei Zähne ausschlug, hatte im
Frühjahr für Aufsehen gesorgt. Der 16-Jährige wurde in Kollektivhaft
genommen für eine 100-köpfige Gruppe von Fans, die am Spieltag lautstark
durch die Freiburger Innenstadt marschierte, wobei im Bahnhof zwei
Glasscheiben zu Bruch gingen. Nachdem der Vater des daran unbeteiligten
Minderjährigen Anzeige gegen die Polizei erstattet hatte, stellte der Verein
ein bundesweites Stadionverbot aus - gegen den Vater.

SC-Manager Andreas Bornemann ist schockiert über das Law-and-Order-Image,
zumal man die "Namensverwechslung" mittlerweile korrigiert habe. Außerdem
weise man den vereinseigenen Ordnungsdienst an, "sich im Stadion ein eigenes
Bild zu machen". Doch in den meisten Fällen folgt auch der SC den
Empfehlungen der Polizei und spricht die von ihr geforderten Stadionverbote
aus. Das ist umso bedenklicher, als die Polizei nicht verpflichtet ist, ihr
Beweismaterial offen zu legen. Und so werden schon mal Menschen mit bis zu
fünf Jahren bundesweitem Stadionverbot belegt, die wie im zweiten von Baff
angeführten Beispiel eigentlich einen Preis für Zivilcourage verdient
hätten. Im Oktober wurden Mainzer Fans mit Stadionverbot belegt, die nicht
untätig zusehen wollten, wie sich Rechtsradikale in ihrem Block
produzierten. Frank Trautwein, Fanbeauftragter der Rheinhessen, glaubt, dass
bei einem konsequenten Vorgehen der Ordner die Eskalation hätte vermieden
werden können. Lange bevor es zu den "wilden Keilereien, die auf Band
festgehalten sind" (Bornemann) gekommen sei, hätten Fans darauf aufmerksam
gemacht, dass sich Neonazis im Block befänden. "Solange die nichts machen,
machen wir auch nichts", sei ihnen von den Ordnern beschieden worden. Selbst
nachdem der Hitlergruß zu sehen war, sei nichts passiert. Erst als empörte
05-Fans das Problem selbst in die Hand nahmen, schritt die Polizei ein und
verhaftete alle Beteiligten. Mehrere Mainzer dürfen nun bis zu vier Jahre
lang kein Stadion mehr betreten.

Das Problem ist wohl ein Grundsätzlicheres: Während jeder andere Bürger, der
an einem Spieltag aus dem Zug steigt, frei entscheiden kann, ob er zunächst
über den Weihnachtsmarkt bummelt oder direkt ins Stadion geht, gilt das für
Fußballfans nicht: Die Freiburger Polizei, die jüngst auch bei einer linken
Demo alles andere als zimperlich vorging, war erbost über die Stuttgarter
Fans, weil die sich den Zugang zur City nicht verbieten lassen wollte. Hinzu
kommt, dass einem Fan de facto der Rechtsweg versperrt ist. Ihm muss nicht
einmal nachgewiesen werden, dass er zurecht verhaftet wurde. Umso legitimer
ist die Baff-Forderung, die Umkehr der Beweislast rückgängig zu machen und
in einem ersten Schritt die Betroffenen überhaupt erst einmal anzuhören.

Im Vorfeld der WM 2006 will sich kein Verein vorwerfen lassen, die
Sicherheitsfrage zu lax anzugehen. In vielen Stadien wird deswegen mit
Kanonenkugeln auf Fliegen geschossen. Dass die Behandlung der Gästefans in
Freiburg "unangemessen" sei, moniert die Baff-Laudatio dann auch zu Recht.
Da musste mancher im Dezember seine Schuhe ausziehen, anderen wurde ein
Käsebrötchen oder Schokoriegel ("gefährliches Wurfgeschoss") konfisziert,
generell bleiben Transparente und die bei jüngeren Fans beliebten Doppelstoc
khalter am Stadioneingang. Ralf Hettich von den "Natural Born Ultras"
berichtet, dass sich das mittlerweile in der Liga herumgesprochen habe: "In
Gladbach wurde uns gesagt, dass wir nichts in den Block mitnehmen dürfen,
weil ihnen selber in der Vorsaison bei uns alles abgenommen wurde."

In der Opferrolle, die ihnen die Baff-Erklärung zuschreibt, mögen sich die
SC-Ultras dennoch nicht sehen: "Wir werden nicht verfolgt, das wäre
übertrieben zu sagen." Dass ihre Choreografien verboten würden, weil der
angeblich hohe Papierverbrauch nicht zum Ökoimage des Vereins passe, sei
dennoch einigermaßen lächerlich.

So albern und teilweise empörend die aufgeführten Vorfälle auch sein mögen,
sie sind in der Mehrzahl der deutschen Fußballstädte gang und gäbe.
Vielleicht wäre es konsequenter gewesen, dieses Jahr gleich 18 Schlagstöcke
zu verleihen. Für jeden Bundesligisten einen. Beim SC will man sich nun
gesprächsbereit zeigen. Falls ein Mainzer Fan zu Unrecht belangt worden sei,
solle "der sich melden, dann könnte man über eine Rücknahme reden".

CHRISTOPH RUF

taz Nr. 7549 vom 27.12.2004, Seite 15, 169 Zeilen (Kommentar), CHRISTOPH RUF

Druckbare Version Badische Zeitung vom 21. Dezember 2004