Kongress in Wien -FARE
Kongress in Wien -
Europaweite Fanorganisation gegen Rassismus gegründet
“Fußball ist der bedeutendste Sport der Welt und gehört uns allen. Jeder Mensch hat das
unveräußerliche Recht der Teilnahme an diesem Sport, frei von jeglicher Diskriminierung.”
Mit diesen Worten beginnt die Erklärung, die am 2. Februar in Wien von Fanorganisationen aus 13 europäischen Ländern verabschiedet wurde. Dort hatte in den Tagen zuvor ein Seminar unter dem Motto “Networking Against Racism in European Football – NAREF” stattgefunden. Auf Einladung der Wiener Organisation FairPlay mit Sitz beim “Institut für Entwicklung und Zusammenarbeit” waren Fanorganisationen nach Österreich gekommen, um Erfahrungen und Informationen auszutauschen.
Ziel der Veranstaltung war es, die Frage zu klären, ob eine internationale Zusammenarbeit von Faninitiativen, antirassistischen Gruppen und Menschenrechtsorganisationen möglich ist. Dabei sollte versucht werden, ein Netzwerk aufzubauen, um die Arbeit in den verschiedenen Ländern, gerade auch im Hinblick auf die EURO 2000, besser zu koordinieren und somit auch effektiver gestalten zu können.
Aus Deutschland waren insgesamt vier verschiedene Organisationen zu dem Treffen eingeladen worden, neben dem Bündnis Aktiver Fußballfans (BAFF) waren Vertreter der Schalker Fan-Initiative, des deutsch-polnischen Fanclubs “Eurofighter” und des Fanprojekts Dortmund nach Wien gekommen.
I. Anstieg der Fremdenfeindlichkeit
Der erste Tag stand ganz im Zeichen des Kennenlernens und der theoretischen Auseinandersetzung mit dem Thema. Den Auftakt machte Beate Winkler von der “Europäischen Stelle zur Beobachtung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit” mit einem Vortrag über aktuelle Untersuchungen. Demnach sei in den letzten acht Jahren ein starker Anstieg fremdenfeindlicher Einstellungen zu verzeichnen gewesen, das Interesse an der Problematik sei jedoch im gleichen Zeitraum deutlich zurückgegangen. Während 1990 noch 36 % der Befragten das Thema als wichtig befunden hätten, sei die Zahl nun auf 22 Prozent gesunken. Winkler prophezeite wegen der zunehmenden Ängste in der Bevölkerung einen weiteren Anstieg von Fremdenfeindlichkeit und Rassismus. Gerade weil rechte Gruppierungen versuchen würden, diese Ängste zu mißbrauchen, hätten die Jugend und der Sport eine wichtige Verantwortung für die Zukunft.
Im Anschluß an die Vorträge erhielten die anwesenden Organisationen die Möglichkeit, ihre Arbeit vorzustellen. Zahlenmäßig am stärksten vertreten waren neben den Gastgebern aus Österreich die Fangruppen aus England. Alle bekannten und etablierten Organisationen waren angereist. Neben den Initiativen “Football Unites, Rascism Divides” aus Sheffield, “Kick it out” aus London, “Show Rascism the red card” aus Newcastle, der Football Supporters Association (FSA) und vielen weiteren Gruppen, waren auch die englische Spielergewerkschaft und der einzige farbige Schiedsrichter der Premier League anwesend. Bei den Gesprächen zeigte sich, daß die Initiativen in viel größerem Maße durch die Vereine und die Spieler unterstützt werden, als dies beispielsweise in Deutschland der Fall ist. Die Vertreter verfügten zudem über große Erfahrung auf dem Gebiet der Öffentlichkeitsarbeit und der Finanzmittelbeschaffung. Gleiches galt für die Vertreter der Organisationen aus Irland und Nordirland.
II. Faninitiative als Trikotsponsor
Bedrückend wirkte hingegen der Beitrag des Vertreters von der “Never Again Association” aus Warschau. Er schilderte die zunehmenden Nazi-Aktivitäten in den polnischen Stadien, die mit einer sehr großen Gewaltbereitschaft in den Kurven verbunden sind.
Einen völlig neuen Weg haben hingegen Fans in der Schweiz eingeschlagen. Dort wurde die Initiative “Gemeinsam gegen Rassismus” kurzerhand Hauptsponsor der Young Boys Bern. Trotzdem gebe es im Umfeld des Schweizer Fußballs derzeit mehr Nazis als je zuvor.
Aus Italien waren Vertreter von verschiedenen Ultra-Gruppen angereist, die über ihre Aktivitäten zur Verbesserung der Integration von Migranten und ihr Vorgehen gegen Rassismus berichteten. Zudem wurde ein Film über eine Fan-WM im vergangenen Jahr gezeigt.
Nachdem auch die Anwesenden aus Belgien, den Niederlanden, Spanien und Tschechien ihre Beiträge abgeliefert hatten, gaben die Fanvertreter aus Wien und Innsbruck einen kurzen Überblick der Situation in Österreich, das gemeinsam mit Ungarn die EM 2004 plant.
III. Schwierigkeiten mit der Finanzierung der Arbeit
Am zweiten Tag wurde in verschiedenen Arbeitsgruppen über die aktuelle Situation diskutiert. Dabei wurde besonders auf die Frage eingegangen, wie die Arbeit der einzelnen Gruppen besser finanziert werden könne. Eine finanzielle Unterstützung durch Behörden und Einrichtungen bringe nach Einschätzung der Anwesenden neben den bessern Arbeitsbedingungen eine Legitimation des Projektes mit sich.
Eine Schwierigkeit bestehe jedoch darin, Behörden und Verbände für das Problem des Rassismus zu sensibilisieren. Viele Menschen sind aber nicht bereit, sich mit der Problematik auseinanderzusetzen, was zusätzliche Schwierigkeiten mit sich bringt. Um mehr Medienpräsenz zu bekommen und gleichzeitig eine bessere finanzielle Absicherung zu erreichen, sei deshalb ein gemeinsames Vorgehen nötig, wurde immer wieder betont.
IV. FARE
Am letzten Tag war es dann so weit und eine Organisation mit dem Namen “Football Against Rascism in Europe” (FARE) wurde unter Teilnahme aller anwesenden Organisationen gegründet. Im Anschluß wurde ein Aktionsplan erarbeitet, der Pläne, Ziele und Forderungen formuliert.
Im Vorfeld der Europameisterschaft sollten die nationalen Verbände offene Foren einrichten und ein breites Spektrum von Fangruppen, Fanprojekten und Spielergewerkschaften ebenso wie Sponsoren zur Teilnahme einladen. In den Zeitschriften und Publikationen der UEFA, der EURO, der nationalen Verbände und der Klubs sollten zudem regelmäßig antirassistische und antidiskriminierende Mitteilungen und Erklärungen veröffentlicht werden. Außerdem wurden sämtliche Fußballverbände, aber auch Sponsoren, die EU und öffentlichen Behörden aufgefordert, finanzielle Unterstützung und Hilfeleistung für Projekte, Kampagnen und Aktivitäten bereitzustellen, die dem Kampf gegen den Rassismus dienen.
Nach den drei Tagen reisten die meisten Teilnehmer zufrieden aus Wien ab. Die internationalen Kontakte und Erfahrungen können sich nur positiv auf die eigene Arbeit vor Ort auswirken. Zudem zeigten sich die einzelnen Initiativen sehr engagiert, an diesem europaweiten Projekt mitzuarbeiten.
Wiener Aktionsplan
(überarbeite Fassung vom 23. 02. 99)
Fußball ist der bedeutendste Sport der Welt und gehört uns allen. Jeder Mensch hat das unveräußerliche Recht der Teilnahme an diesem Sport, frei von jeglicher Diskriminierung oder Belästigung und ungeachtet seiner Herkunft, Nationalität oder Religion, seines Geschlechts, seiner sexuellen Orientierung oder irgendeiner Behinderung – sei es als SpielerIn, AnhängerIn, ZuseherIn, TrainerIn, SchiedsrichterIn oder FunktionärIn.
Wir, die hier beim Seminar „Networking Against Racism in European Football – NAREF“ in Wien vom 31. 1. bis 2. 2. 1999 versammelten VertreterInnen von über 40 Organisationen, darunter Kampagnen gegen Rassismus im Fußball, Fanprojekte und Fanklubs, Sportorganisationen und Menschenrechtsgruppen aus 13 europäischen Ländern, unterstreichen hiermit unser Engagement für den Kampf gegen Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Nationalismus, religiöse Agitation, Sektierertum, Antisemitismus und jegliche Form von Diskriminierung im Fußball und durch den Fußball.
Wir sind nicht bereit, Rassismus im Fußball zu tolerieren: weder auf den Rängen noch auf dem Spielfeld, auf Funktionärsebene, im Training oder in der Ausbildung.
I. Forderungen an die für das Spiel verantwortlichen Institutionen
Fußball stellt ein wesentliches gesellschaftspolitisches Element in Europa dar und spielt eine wichtige Rolle im Kampf gegen den Rassismus.
Wir fordern die Institutionen des Fußball, insbesondere die UEFA, EURO 2000 und die nationalen Fußballverbände, auf:
* anzuerkennen, daß Rassismus und andere Formen der Diskriminierung ein Problem im Fußball darstellt;
* ihre Verantwortung wahrzunehmen und Antirassismus-Strategien zu entwickeln und diese öffentlich zu kommunizieren;
* die integrativen und interkulturellen Möglichkeiten des Fußball bestmöglich zu nutzen;
* den Dialog und die Partnerschaft mit allen Organisationen aufzunehmen, die sich für den Kampf gegen Rassismus im Fußball einsetzen, insbesondere mit Fangruppen, MigrantInnen und ethnischen Minderheiten;
* insbesondere auch das Problem des Aufschwungs der extremen Rechten in Osteuropa und deren Aktivitäten in den Fußballstadien zu thematisieren.
Im Vorfeld der EURO 2000 sollten die nationalen Verbände offene Foren einrichten und ein breites Spektrum von Fangruppen, Fanprojekten und Spielergewerkschaften ebenso wie Sponsoren zur Teilnahme einladen.
In den Zeitschriften und Publikationen der UEFA, der EURO 2000, der nationalen Verbände und der Klubs sollten regelmäßig antirassistische und antidiskriminierende Mitteilungen und Erklärungen veröffentlicht werden.
Wir fordern die UEFA, die FIFA und die EURO 2000 ebenso wie private Fußballsponsoren, die Europäische Kommission und den öffentlichen Sektor in den verschiedenen europäischen Ländern auf, finanzielle Unterstützung und Hilfeleistung für Projekte, Kampagnen und Aktivitäten bereitzustellen, die dem Kampf gegen den Rassismus dienen.
II. Wir verpflichten uns:
* ein Netzwerk mit dem Namen "Football Against Racism in Europe" (FARE) [Fußball gegen Rassismus in Europa] zu etablieren
* jegliches rassistische Verhalten in den Stadien und den Klubs anzugreifen;
* auf rassistische Vorfälle zu reagieren, unsere Ansichten öffentlich zu vertreten und nicht zu schweigen;
* innerhalb unserer eigenen Organisationen die Einbeziehung von ethnischen Minderheiten und MigrantInnen auf Basis von Gleichberechtigung zu fördern;
* gegen strukturelle Diskriminierung im Fußball anzukämpfen;
* mit allen Verbänden, Gewerkschaften, Klubs und öffentlichen Institutionen wie der Europäischen Stelle zur Beobachtung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit in Wien und der Europäischen Kommission zusammenzuarbeiten, die bereit sind, das Problem des Rassismus im Fußball zu bekämpfen.
III. Wir werden die folgenden Schritte setzen:
* Aufbau einer umfassenden Datenbank aller antirassistischen Fußballgruppen, zu Beginn von „Kick It Out“ betrieben;
* Einrichtung einer FARE-Website. Die „Football Unites, Racism Divides“-Website (www.furd.org) wird zu Beginn einen dem Netzwerk gewidmeten Abschnitt einrichten;
* andere Formen der Kommunikation, beispielsweise Mitteilungsblätter. „Kick It Out“ wird die erste Ausgabe eines FARE-Mitteilungsblattes produzieren.
* offene Einladungen an alle Netzwerk-Mitglieder, an Fanturnieren wie jenen teilzunehmen, die jährlich in Dublin und Montefiorino (Italien) stattfinden.
* Veranstaltung einer „Streetkick“-Tournee durch die Gastgeberstädte der EURO 2000, sowohl vor als auch während der EM;
* Organisation eines multikulturelle Veranstaltungen während der EURO 2000;
* Forderung von 1 % der Sponsoreinnahmen der EURO 2000 für die Umsetzung der Aktionen gegen Rassismus von FARE vor und während der EM in Holland und Belgien.