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Arbeitsgruppe 4:Ultra-Szene

 

Arbeitsgruppe 4:
Ultra-Szene
In den letzten Jahren sind in Deutschland neue Fan-Gruppen entstanden, die sich selbst als “Ultras” bezeichnen. Das Interesse an dieser Art von Fankultur ist groß, was sich auch in der hohen Teilnehmerzahl wiederspiegelt. Die Ultra-Szene kommt aus Italien; Ende der 60er/Anfang der 70er schlossen sich jugendliche Fans zu Gruppen zusammen, um die eigene Mannschaft besser zu unterstützen. 1968 entstand die “Fossa die Leoni” beim AC Mailand, 1969 die “Ultras Tito” bei Sampdoria, 1971 die “Brigate Gialloblu” bei Hellas Verona, 1972 das “Commando Ultrá” beim SSC Neapel, 1973 die “Fossa die Grifoni” beim FC Genua, etc., fortan nannten sie sich nicht mehr “tifosi” (=Fans), sondern Ultras. Sie wählten meistens provokante Namen, wie die Rot-Schwarzen Brigaden (1973) beim AC Mailand. Sie ließen große Transparente herstellen, mit denen sich die ganze Gruppe identifiziert. Die Ultra-Gruppen stellen den harten Kern der jeweiligen Fankurven dar, von ihnen gehen sämtliche Aktionen aus. An der Spitze einer Gruppe steht ein Chef, der mit Hilfe eines Megaphons (oder auch von Lautsprecheranlagen) alle Gesänge anstimmt. Kreativität wird dabei groß geschrieben, d.h. es wird nicht unbedingt jedes Lied nachgesungen, sondern man versucht eigene Lieder zu erfinden und einen eigenen Stil zu entwickeln. Schon in den 70er Jahren zählten bengalische Fackeln und Rauchbomben zum Standardrepertoire, seit Anfang der 80er werden auch Choreographien inszeniert. Die Ultras stellen eigene Fanartikel her, z.B. Schals, T-Shirts, Bomberjacken, etc., durch den Überschuß werden die Kurvenshows finanziert. Die finanzielle Unabhängigkeit ist ein wesentlicher Bestandteil der Ultra-Philosophie, grundsätzlich wird jede finanzielle Unterstützung vom Verein abgelehnt, auch wenn einige Gruppen unter der Hand hin und wieder doch Finanzspritzen erhalten, das aber nicht zugeben.
Ein interessanter Fall ist das Finale im Landesmeisterwettbewerb 1989, als 85.000 Fans den AC Mailand nach Barcelona begleiteten ... Oft werden auch lange Transparente für ein einziges Spiel gemalt, um z.B. gegen hohe Eintrittspreise zu protestieren, oder um den Gegner zu verhöhnen, wobei die Sprüche meistens unter die Gürtellinie gehen. Seit der WM 1990 gibt es auch in Italien “moderne” reine Sitzplatzstadien. Es hatte kaum Auswirkungen auf die Fankultur, wie wir sie kennen, da in den Kurven sowieso gestanden wird. So haben die Vicenza-Ultras das ganze Europacup-Auswärtsspiel bei Chelsea im Stehen verfolgt, da konnten auch die Ordner nichts machen. Gewalt ist in Italien ein großes Problem, das eigentlich immer Bestandteil der Ultra-Szene war, bei Schlägereien werden oft Knüppel, Gürtel und Messer eingesetzt, und das völlig unabhängig davon, ob die Ultras ein Che Guevara-Bild auf ihrem Transparent haben, oder ob sie faschistisch eingestellt sind. So haben die Pisa-Ultras 1990 bei einem Spiel Afrikanische Fans ins Stadion eingeladen und ihnen den Eintritt bezahlt, als Zeichen gegen Rassismus. Einige Jahre später versuchte der Pisa-Präsident bei einem Heimspiel aufgebrachte Pisa-Ultras zu beruhigen und erlitt dabei eine schwere Augenverletzung durch ein geworfenes Gegenstand.
Die englische Fankultur war in den 70er Jahren prägend für das gesamte Kontinent. Dort gibt es keine langen Transparente und große Schwenkfahnen. Auch die Gesänge werden nicht von einem Chef angestimmt, sondern entstehen spontan. Und durch die Bauweise werden die englischen Stadien zu richtigen Hexenkesseln, was durch die Sitzpflicht aber leider eingeschränkt wird. In England gab es die ersten Schalparaden und Doppelstockfahnen, die besonders jetzt in Italien Mode sind.
Was haben wir in Deutschland für eine Fankultur ? Ich bin der Meinung, daß wir hier keine Ultra-Szene haben, sondern eher eine englische. Zwar gibt es auch hier vermehrt Choreographien zu bewundern, die Masse der Fans ist aber nicht organisiert, und auch die Gesänge und die Reaktionen der Fans gleichen denen der englischen. Es kommt schon mal vor, daß nach einer schönen Choreographie, die Stimmung zu wünschen übrig läßt. Waren wir bei der WM nicht begeistert von den japanischen Fans, die pausenlos ihr Team angefeuert haben ? Auch dort ist eine Ultra-Szene entstanden, die an der europäischen orientiert ist. Ja, denn mittlerweile existieren auch in vielen anderen europäischen Ländern (Frankreich, Spanien, Portugal, Österreich, ex-Jugoslawien, Griechenland, Ungarn, etc.) Ultra-Gruppen mit hervorragenden Ergebnissen, wie etwa bei Olympique Marseille.
Ich hoffe, daß ich dazu beigetragen habe, daß weitere Ultra-Gruppen entstehen, die die Entstehung in Italien kritisch betrachten und sich von der Gewalt distanzieren. Auch halte ich die Ultra-Gruppen als wichtiges Mittel im Kampf gegen Rassismus in den Stadien. Also: bildet Ultra-Gruppen !







Druckbare Version “WM in Frankreich”, Bericht der Arbeitsgruppe Die FSA und Perspektiven für eine Fanorganisation