06.11.2004: Interview in der SZ zu WM-Tickets
INTERVIEW DER WOCHE
Wilko Zicht (28)
Mitglied im Bündnisaktiver Fußball-Fans (BAFF)
SZ: Franz Beckenbauer hat angekündigt, dass bei der WM 2006 nur etwa 20
Prozent der Karten für Zuschauer aus Deutschland zur Verfügung stehen. Wie
wird das an der Fan-Basis aufgenommen?
Zicht: Es war klar, dass das Kontingent begrenzt sein würde. Die Frage ist
jedoch, ob nicht zu viele Karten an Sponsoren gehen und an all die Verbände.
Die große Fifa-Familie will ja versorgt werden.
SZ: Es gibt drei Millionen Karten. Knapp ein Drittel geht an Sponsoren und
Verbände.
Zicht: Das ist leider nicht nur bei der WM so, wir haben das Problem immer
bei großen Spielen. Die Verbände sagen, dass ginge nicht anders, weil die
Sponsoren die Karten brauchen. In der Praxis sieht das dann so aus, dass
Mitarbeiter dieser Firmen stapelweise Karten bekommen und es denen nicht so
wichtig ist, das Spiel zu sehen. Diese Karten werden häufig bei eBay
verkauft.
SZ: Selbst Mitglieder der Fifa-Exekutive haben schon Karten auf dem
Schwarzmarkt verkauft. Haben Sie den Eindruck, dass man etwas ändern könnte,
und dass Deutschland beispielhaft eine WM organisiert, die für die Fans
gedacht ist?
Zicht: Die Frage ist, inwieweit die Fifa das zulässt. Ich nehme es dem
deutschen Organisationskomitee ab, dass es da weiter gehen würde, wenn es
könnte, aber die Fifa beansprucht einen erheblichen Teil der Tickets. Wir
haben das auch in der Champions League erlebt. Da wurden von der Uefa
tausende Karten an die Vereine zurückgeschickt. Das zeigt, wie groß die
Diskrepanz zwischen der Nachfrage ist und dem, was die Verbände
beanspruchen.
SZ: Welche Änderungen bei der Kartenvergabe würden Sie als Fanvertreter
vorschlagen?
Zicht: Ich würde, was die Sponsoren angeht, mich auf das Wesentliche
beschränken: nämlich darauf, dass das Werbepartner sind und nicht
Verteilungsstellen für Freikarten. Sponsoring und Kartenvergabe sind
unterschiedliche Dinge. Ein gewisses Kontingent muss da sicherlich zur
Verfügung stehen, aber es wird total übertrieben.
SZ: Wie wirkt sich das in den Stadien aus, dass so viele Karten an Menschen
vergeben werden, die nicht direkt Fans sind?
Zicht: Der Stimmung tut das nicht gut, klar. Länderspiele sind selten so
stimmungsvoll wie Partien in der Bundesliga, weil es eben ein völlig anderes
Publikum ist.
SZ: Haben Sie die Befürchtung, dass die WM zwar in Deutschland stattfindet,
aber sehr wenige Deutsche die Spiele sehen können?
Zicht: Es wird denen, die Karten bekommen, finanziell weh tun, aber das ist
es dann wohl wert. Das Problem sind all die Leute, die über die
Sponsorenkarten ins Stadion kommen, und die sonst niemals Geld
für Fußballkarten ausgeben würden. Da verschenkt man die Plätze, obwohl es
genug Leute gibt, die wirklich gern dabei wären, aber keine Chance haben, an
Karten zu kommen.
SZ: Was raten Sie denen?
Zicht: Ich halte es für ganz wichtig, dass es an den Spielorten
Großleinwände gibt, auf denen man die Spiele kostenlos sehen kann. So können
die Fans ihr eigenes Ereignis schaffen, und so kann die WM das große Fest
werden, das sie sein soll.
Interview: Christian Zaschke
Quelle: Süddeutsche Zeitung
Nr.258, Samstag, den 06. November 2004 , Seite 44