Dynamo Assis pöbeln/Jungle World:
Dynamo Assis pöbeln
Rechtsextreme Hooligans einer Fangruppe von Dynamo Dresden greifen immer wieder ein linkes Hausprojekt in Dresden an. von peter stein
Dynamo«, »Judenschweine«, »Fotzen«: So schallt es mitten in der Nacht im verschlafenen Dresdner Stadtteil Pieschen. Hier, in der Robert-Matzke-Straße, wo sich neben einem Altersheim des Deutschen Roten Kreuzes das linke Wohnprojekt RM16 befindet, werden die Anwohner zunächst von den Parolen und dann von klirrenden Autoscheiben unsanft aus dem Schlaf gerissen. Vor dem Haus hat sich eine Horde von etwa 20 Hooligans aufgebaut, die mit Hasskappen und Tüchern vermummt sind und mit Zaunlatten die Scheiben der vor dem Haus geparkten Fahrzeuge zertrümmern und Steine gegen das Gebäude werfen.
Diese Szene ereignete sich am 26. November. Der Dresdner Polizei gelang es, einige der flüchtenden Randalierer zu ergreifen und ihre Personalien festzustellen. Die Ermittlungen ergaben offenbar, dass sich die Neonazis nicht nur für diesen Abend verabredet hatten. Am 27. November teilten Polizeibeamte den Bewohnern der RM16 mit, dass es Hinweise auf einen möglichen weiteren Angriff gebe. Ein Brandanschlag mit Molotowcocktails soll geplant gewesen sein. Daher sicherte die Polizei das Gebiet und das Hausprojekt bis in die Morgenstunden des 27. November ab.
Tatsächlich tauchten die Neonazis wieder auf. Sie trugen Holzlatten mit sich, der Polizei gelang es, einige von ihnen festzunehmen. Eine Stunde nachdem die Beamten die Straße verlassen hatten, gegen vier Uhr morgens, erschienen noch einmal zwei Vermummte vor dem Haus und riefen »Dynamo« und »Wir kommen mit Mollies wieder«.
Die RM16 ist ein wichtiger Bestandteil der alternativen Szene des Stadtteils Pieschen, eines der ärmeren Viertel der Stadt. Im Keller des Hauses finden regelmäßig Konzerte und politische Veranstaltungen statt. Mike Tannagel, ein Sprecher des Projekts, sagte der Jungle World: »Wir haben das Haus vor einigen Jahren besetzt, weil wir unter anderem deutlich machen wollten, dass es wichtig ist, um soziale und politische Freiräume zu kämpfen, und dass es möglich ist, sich diese immer wieder aufs Neue anzueignen. Seither kam es immer wieder zu Angriffen und Hetze gegen unser Projekt seitens der neonazistischen Szene in Dresden. Doch die Angriffe der letzten Wochen stellen für uns einen neuen Höhepunkt dar.«
Die Täter stammen nach Aussage von Thomas Geitner, einem Sprecher der Dresdner Polizei, aus dem Umkreis einer Fangruppierung des 1.FC Dynamo Dresden. Sie nennt sich »Assi Pöbel Dynamo Dresden«, ihr Treffpunkt ist die unweit der RM16 gelegene Kneipe »Echo«. Von hier aus griffen etwa 25 Hooligans Anfang Oktober nachts wahllos Passanten an und schlugen nach Angaben von Augenzeugen einige von ihnen nieder. Am 3. Dezember lieferten sie sich untereinander eine Schlägerei vor der Kneipe, bei der die Polizei eingreifen musste.
Die Gruppe gehörte lange Zeit zu den »Ultras Dresden«, bis sie sich wegen politischer Differenzen abspaltete. Ein Anhänger der »Ultras Dresden« sagte der Jungle World: »Der so genannte Assi Pöbel besteht vorwiegend aus 16- bis 20jährigen rechtsgerichteten Fans. Am Rande des letzten Spiels von Dynamo Dresden brüsteten sie sich damit, die RM16 angegriffen zu haben. Auch früher schon erzählten sie mehrfach von Aktionen gegen das Haus.« Und Mike Tannagel weist darauf hin: »Seit etwa einem halben Jahr werden regelmäßig an unserem Haus und in der ganzen Straße Aufkleber mit der Aufschrift ›Assi Pöbel Dynamo-Terrorist Organisation‹ geklebt.«
Dass die Gruppe offen rechts eingestellt ist, zeigt sie stets aufs Neue. Personen aus der Fangruppe oder ihrem Umfeld fallen im Dresdner Rudolf-Harbig-Stadion immer wieder wegen ihres antisemitischen Gegröhles, wegen ihrer typischen Kleidung und ihrer Beteiligung an Auseinandersetzungen nach den Spielen auf.
Sie sind aber nicht das einzige Problem des Vereins Dynamo Dresden. Keine andere sächsische Mannschaft hat mehr gewaltbereite Fans, sie zählen zu den brutalsten in Sachsen. Dresdner Hooligans waren auch dabei, als sich am 26. November in der Nähe des brandenburgischen Orts Briesen rund 50 Deutsche der »Hooligan-Nordostfraktion« und 50 polnische Hooligans eine Massenschlägerei um die »Vorherrschaft bei der WM 2006« lieferten.
Bei einem Spiel der 2. Bundesliga zwischen Dynamo Dresden und Energie Cottbus hingegen hielten Cottbusser Fans ein Transparent hoch, auf dem das Wort »Jude« zu lesen war. Das D in Jude wurde ersetzt durch das Emblem von Dynamo Dresden, flankiert von zwei Davidsternen mit den Buchstaben DD für Dynamo Dresden.
Beschimpfungen der gegnerischen Mannschaft und Fans als »Juden« seien keine Einzelfälle, schreibt das Bündnis Aktiver Fußballfans in einer Pressemitteilung. Dieses Mal sei es aber dazu während eines Spiels gekommen, das live auf DSF übertragen wurde, »für jeden am Fernseher klar ersichtlich«.
Franca Klausen von der Antifa Dresden ist davon nicht überrascht. Der Jungle World sagte sie: »Auch wenn diesmal das Transparent von Cottbusser Fans gehalten wurde, ähnliches haben in der Vergangenheit auch Dresdner Fans getan.«
Für das Opferberatungsprojekt Amal Sachsen stellt der Angriff auf die RM16 »einen versuchten Mordanschlag« dar, denn geplante Brandanschläge auf bewohnte Häuser seien nicht anders zu interpretieren. Immerhin sei die Polizei »diesmal sehr zügig vor Ort« gewesen. Nichtsdestotrotz müsse sie nun Sorge dafür tragen, die Täter zu fassen und einen Brandanschlag auch zukünftig zu verhindern. In der Unterstützung des Projektes und der Bewohner sieht Amal auch die Dresdner Bürger gefragt, die sich »bisher noch immer in Schweigen zu den Vorfällen« hüllten.
Jungle World